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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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abzählen.«
    »Nai«, stimmte er mir zu und setzte mich dann abermals in Erstaunen. »Und nun mußten zwei von ihnen sogar
    innerhalb von nur wenigen Monaten abdanken.«
    »Gleich zwei?« platzte ich unwillkürlich heraus.
    »Nai. Der jüngere Leo starb hier, Julius Nepos wurde in Rom entthront. Habt Ihr nicht davon gehört?«
    Ich überlegte, daß nun weder ich den Kaiser,
    dessentwegen ich ausgesandt worden war, zu Gesicht
    bekommen würde noch Saio Soas den seinen. Ich
    murmelte: »Ich war fort, im Krieg. Abgeschnitten vom
    restlichen Geschehen.«
    Myros warf mir einen Blick zu, mit dem romanisierte
    Griechen vermutlich häufig Barbaren bedachten. »So wart Ihr nicht in der Lage, Marschall, auf Eurem Weg hierher die Feuer- und Rauchzeichen des Leuchtturms zu deuten? Sie haben in den letzten Monaten von fast nichts anderem
    berichtet. Ausgenommen natürlich von Eurer
    bevorstehenden Ankunft.«
    Mit einigem Verdruß gestand ich ein, daß ich die
    Himmelsschrift nicht lesen konnte, und ich fügte hinzu: »Ich hätte gehofft, ich würde zumindest die Buchstaben meines eigenen Namens erkennen. Wie erreichte Euch die
    Nachricht?«
    Er lächelte überlegen, gleichsam als wolle er sagen: Wir Griechen sind allwissend. Dann erzählte er mir aber offen:
    »Unsere Kundschafter sind überall. Zweifellos hörte einer von ihnen Euren Namen Saio Thorn, als Ihr und die
    Prinzessin in Beroea oder an einem anderen Ort Halt
    machtet.«
    »So wird es sein«, sagte ich kühl, keineswegs erfreut, daß man mir nachspioniert hatte, ohne daß ich es bemerkt hatte.
    Inzwischen waren wir in Konstantinopel eingetroffen. Um Myros zu demonstrieren, daß ich nicht im geringsten
    beeindruckt war von der Pracht der kaiserlichen Stadt, setzte ich unser Geplauder fort: »Nun, Verwalter, berichtet mir von den abgesetzten und wechselnden Herrschern, von denen
    Ihr gesprochen habt. Wirklich, ich habe noch nie gehört, daß so viele Herrscher daran glauben mußten wie unlängst im Kaiserreich.«
    »Leider habt Ihr nur zu recht«, pflichtete Myros
    niedergeschlagen bei. »Nun, was wäre über den
    verstorbenen Leo zu berichten? In den ganzen sechs Jahren seines Lebens war er immer ein kränklicher Junge. Sein Großvater, der denselben Namen trug, hätte ihn nicht zu seinem Nachfolger bestimmen sollen. Der arme kleine Leo hatte selbst mit Hilfe seines Vaters als Regent nicht genug Entschlossenheit oder Willenskraft für eine solche
    Verantwortung. Jedenfalls hat nun, da beide Leos tot sind, der Vater des kleinen Leo den kaiserlichen Purpur
    beansprucht.«
    »Und dieser Regent und Vater ist Zeno?«
    »Ja. Wußtet Ihr nicht, daß er der adoptierte Sohn des
    ersten Leo war? Er ist mit Ariadne, der Tochter jenes
    Kaisers, verheiratet. Der verstorbene kleine Leo war der Sohn Ariadnes und ihres Gemahls, des jetzigen Kaisers.«
    Entschlossen, nicht zu auffällig die prächtigen Statuen anzustarren, die unseren Weg säumten, setzte ich die
    Unterhaltung fort: »Nun denn. Das östliche Kaiserreich wird also von Basileus Zeno und seiner Basilissa Ariadne regiert.
    Was hat sich aber mittlerweile im Westen zugetragen?«
    »Wie ich schon sagte, Julius Nepos wurde von einem
    Mann namens Orest abgesetzt, den er selbst zum General seiner Armeen ernannt hatte. Nepos floh daraufhin nach Salona in Illyrien.«
    »Augenblick! Ist Salona nicht der Ort, an den...?«
    »Nai«, sagte Myros kopfnickend und lächelte boshaft. »An den der frühere Kaiser Glycerius verbannt worden ist,
    nachdem Nepos ihn abgesetzt hatte. Fragt mich nicht,
    warum Nepos ausgerechnet Salona als Zufluchtsort wählte.
    Der rachsüchtige Glycerius ließ ihn dort ermorden.«
    »Gütiger Himmel.«
    »Das Beste kommt noch.« Mit einiger Verspätung
    erkannte ich jetzt an dem weibischen Vergnügen, mit dem der Verwalter Klatschgeschichten erzählte, daß es sich um einen Eunuchen handeln mußte. Er fuhr fort: »Offenbar als Belohnung für diese Tat wurde Glycerius nach dem
    unbedeutenden Bistum Salona das viel größere Erzbistum Mediolanum in Italien übertragen.«
    »Lieber Gott! Ein Bischof begeht einen Kaisermord, und die Kirche befördert ihn noch?«
    Myros verzog voller Abscheu das Gesicht. »Nun, da zeigt sich wieder die Korruption der Katholischen Kirche.
    Konstantinopels tüchtiger Patriarch Akakios würde so etwas niemals in unserer orthodoxen Kirche des Ostens dulden.«
    »Das will ich hoffen. Wer ist also nun Kaiser von Rom?«
    »Der Sohn dieses Generals Orest, Romulus,
    geringschätzig auch

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