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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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auf den Boden zu werfen, da Ihr den Rang eines Gesandten einnehmt. Ihr werdet lediglich vor ihm niederknien und...«
    »Das genügt, Eunuch!« sagte ich grob und in höchstem
    Maße erzürnt. »Ich bin kein demütiger Bittsteller, der gekommen ist, zu winseln und zu schmeicheln!«
    »Wirklich nicht?« sagte er ungerührt. »In meiner
    langjährigen Erfahrung als kaiserlicher Verwalter sind Gesandte aus dem Ausland bisher nur gekommen, um
    entweder eine Kriegserklärung zu überbringen oder den
    Kaiser um irgend etwas zu bitten. Seid Ihr also hier, um den Krieg zu erklären?«
    Es dauerte einige Zeit, bevor ich zu einer Antwort fähig war, weil ich fast erstickte vor Wut und weil mir Amalamena einen amüsierten Blick zugeworfen hatte, der mich daran erinnerte, daß ich in der Tat hier war, um etwas von Zeno zu erbitten. Myros nutzte mein Schweigen, um mit seiner
    Aufzählung fortzufahren:»Ihr braucht nur kurz in knieender Position zu verharren, bis der Kaiser Euch bedeutet, Euch zu erheben. Dann werdet Ihr ihm die Grüße Eures Königs Theoderich ausrichten. Achtet darauf, von diesem König nicht als des Kaisers ›Cousin‹ oder ›Bruder‹ zu sprechen.
    Alle weniger bedeutenden Herrscher sind›Söhne‹. Der
    Kaiser wird Euch und Theoderich für die Geschenke danken, die Ihr mitgebracht habt. Dann wird er einen Tag nennen, an dem Ihr erneut zum kaiserlichen Palast kommen könnt, um die Angelegenheit zu besprechen, deretwegen Ihr hier seid.«
    Der Verwalter gähnte herzhaft. »Krieg oder was auch
    immer.«
    Endlich brachte ich heraus: »Da wir anscheinend seit
    Beginn unserer Reise von Euch bespitzelt wurden, wißt Ihr sicher, warum ich hier bin.«
    »Das stimmt nicht, und deshalb weiß ich es nicht«, sagte Myros mit gespielter Gleichgültigkeit. »Unsere Späher trafen erst im Tal der Rosen auf Euren Zug. Ich weiß nicht einmal, woher Ihr gekommen seid.«
    »Dann werde ich Euren Kaiser Zeno über meinen Auftrag
    unterrichten, und zwar schon morgen. Meine Mission duldet keinen Aufschub. Ich werde niederknien, wenn das seiner Eitelkeit schmeichelt, aber warten werde ich nicht. Sorgt dafür, Eunuch, daß uns alle Formalitäten und
    Verzögerungen erspart bleiben.«
    »Das hat es noch nie gegeben.«
    »Dann ist jetzt das erste Mal. Und Ihr könnt Zeno darauf vorbereiten, welcher Art die Botschaft ist, die ich ihm zu überbringen habe. Theoderich hat die Stadt Singidunum von den Sarmaten erobert, die sie besetzt hielten. Er hat sie fest im Griff und könnte sie behalten. Er könnte sie zu einer Festung machen, von der aus er Überfälle sowohl in das westliche wie auch das östliche Imperium machen könnte.«
    »Das ist nicht wahr!« sagte Myros entsetzt. »Singidunum in Theoderichs Besitz? Das hätten wir erfahren!«
    »Eure Spione und Leuchtfeuer sind also doch nicht
    allwissend. Ich soll Eurem Kaiser jedoch ausrichten, daß Theoderich unter Umständen bereit ist, diese wichtige Stadt wieder an das Imperium herauszugeben. Dem erhabenen
    Zeno oder dem weniger erhabenen Romulus - auf jeden Fall dem, der den besseren Preis bietet und ihn zuerst bietet.
    Geht jetzt. Berichtet Zeno, was ich Euch gesagt habe. Und sagt ihm, daß ich damit rechne, ihm morgen meine
    Aufwartung zu machen. Entfernt Euch!« Ich stieß den
    Eunuchen mit der Schulter zur Seite und ging in den Vorhof.
    Velox führte ich mit mir, so daß Myros zur Seite ausweichen mußte, damit das Pferd ihm nicht auf die Zehen trat. Ich drehte mich nur noch einmal um, um hinzuzufügen:
    »Vergeßt nicht, mir diesen Arzt Alektor zu schicken, von dem Ihr gesprochen habt.«
    Anschließend erholten wir uns in den luxuriös
    eingerichteten Bädern des Gästehauses, wo uns
    schwarzgelockte Mädchen einölten, badeten, trockneten und puderten. Als ich, in Handtücher gewickelt, aus dem Bad kam, erwartete mich der Arzt Alektor, ein hakennasiger, graubärtiger Mann. Er durchbohrte mich mit seinen Blicken, als könne er durch die Handtücher hindurchsehen, so daß ich mich in seiner Gegenwart leicht unbehaglich fühlte. Daß er gekommen war, bedeutete jedoch, daß Myros zumindest einen meiner Befehle befolgt hatte. Und die Tatsache, daß Alektor das Privileg hatte, einen Bart zu tragen, war ein Hinweis darauf, daß er den Status eines Weisen innehatte, was ihn in meinen Augen zu einem in der Tat bedeutenden Arzt machte.
    »Ihr seid Presbeutes Akantha?« wollte er wissen. »Der
    Patient?«
    »Nein«, sagte ich, »es geht um meine königliche
    Begleiterin, Prinzessin

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