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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Augustulus genannt.«
    »Geringschätzig?«
    »Augustulus statt Augustus, der kleine Augustus. Klein und wenig respekteinflößend. Er ist erst vierzehn Jahre alt.
    Also ist sein Vater der eigentliche Regent, wie hier der Vater des kleinen Leo. Doch niemand erwartet, daß sich Orest und Romulus Augustulus noch lange halten können.«
    Wir hielten an. »Hier ist Euer Haus, Presbeutes Akantha«, sagte der Verwalter. »Das schönste Gästehaus der Stadt.
    Ich glaube, Ihr und Euer Gefolge werdet seine Einrichtung zu schätzen wissen und den Aufenthalt als angenehm
    empfinden. Bitte steigt ab und tretet ein.«
    Das marmorne Gebäude und die dazugehörigen Anlagen
    sahen in der Tat prächtig aus, doch sollte Myros nicht merken, wie beeindruckt ich war. Ich richtete mich im Sattel auf und sagte: »Ich bin nur des Königs Marschall, und ich trage die Verantwortung für seine königliche Schwester.« An meine Bogenschützen gewandt, sagte ich: »Geleitet die
    Prinzessin nach vorn, damit sie entscheiden möge, ob ihr dieses bescheidene Quartier als angemessen erscheint.«
    Der Oikonomos sah ziemlich verärgert aus, stieg jedoch vom Pferd, um Amalamena willkommen zu heißen. Als sie
    gemessenen Schrittes auf uns zukam, sah ich, daß sie es irgendwie fertiggebracht hatte, sich im fahrenden Wagen prächtige Gewänder und Schmuck anzulegen und sich zu
    schminken. Als hätte sie meine Absicht mitbekommen,
    bedachte sie den sich tief verneigenden Myros nur mit einem kühlen Nicken, schwebte auf wahrhaft königliche Art an ihm vorbei und betrat an der Seite Swanildas und meiner
    Bogenschützen den Vorhof und dann das Haus.
    Die das Gebäude umgebende Mauer war nicht sehr hoch,
    die Tore waren mehr dekorativ als wuchtig und vermittelten den Eindruck, daß wir nicht als Gefangene in dem Haus
    festgehalten werden sollten. Immerhin befanden wir uns im Herzen der Stadt und ihrer Festungsmauern. Als Myros
    daher von den Quartieren für unsere Männer anfing,
    schüttelte ich nachdrücklich den Kopf.
    »Nein. Diese Männer sind Ostgoten, sie brauchen kein
    Dach über dem Kopf oder Kissen zum Schlafen. Sie können sich hier im Vorhof aufhalten. Was übrigens Bedienstete angeht, so möge uns zunächst der beste Arzt der Stadt zur Verfügung gestellt werden. Er soll mir bestätigen, daß die Prinzessin die lange Reise gut überstanden hat.«
    »Des Kaisers Leibarzt, der ehrwürdige Alektor, wird Euch unverzüglich aufsuchen.« Mit der typischen Gehässigkeit des Eunuchen fügte er hinzu: »Leider muß ich feststellen, daß die Prinzessin einen viel älteren und gebrechlicheren Eindruck machte, als es ihrem angeblichen Alter
    entspräche.«
    Ich ignorierte diese Bemerkung. Als die Frauen und ihre bewaffnete Eskorte sich uns wieder anschlossen, warf mir Amalamena einen verschwörerischen Blick zu, bevor sie
    Myros lediglich durch ein weiteres kühles Kopfnicken zu verstehen gab, daß das Haus ihren Ansprüchen genügte.
    Ich stieg von Velox ab und wies meine Bogenschützen an, die Geschenke, die wir mitgebracht hatten, von unseren Packtieren abzuladen und sie den Bediensteten des
    Verwalters zu übergeben. Inzwischen fuhr Myros fort: »Wie Ihr seht, Prinzessin und Marschall, zeichnet sich Euer Quartier durch mannigfache Vorzüge aus. Dort drüben liegt das Hippodrom, wo Ihr Spielen, Wettkämpfen und
    Theateraufführungen zu Eurem Zeitvertreib beiwohnen
    könnt. In dieser Richtung findet Ihr die Kirche Hagia Sophia, wo Ihr, wenn es Euch beliebt, Gottesdienste besuchen
    könnt. Im Purpurpalast dort drüben wird der Kaiser Euch eine Audienz gewähren. Der...«
    »Ich hoffe«, unterbrach ich, »wir sind nicht so lange hier, um vieler Zerstreuungen zu bedürfen oder sogar Andachten beizuwohnen. Wann wird Zeno mich empfangen?«
    »Hm... bald. Natürlich werdet Ihr rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt, so daß Euch genügend Zeit bleibt, Euch auf das Treffen vorzubereiten.«
    »Vorbereiten? Wozu? Ich bin vorbereitet.«
    »Nein, keineswegs. Es gilt, Formalitäten zu beachten. Ihr werdet spätestens einen Tag vor der Audienz Bescheid
    bekommen, damit Ihr an diesem Tag fasten könnt.«
    »Fasten? Ich kam nicht hierher, um die heilige Kommunion zu empfangen.«
    »Und wenn es soweit ist, wird man Euch in den
    kaiserlichen Audienzsaal führen, wo Eure Geschenke für den Herrscher aufgebaut sind. Wenn Ihr auf den Thron
    zugeht, müßt Ihr dreimal anhalten und eine respektvolle Pause einlegen. Wenn Ihr vor dem Kaiser steht, braucht Ihr Euch nicht bäuchlings

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