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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Amalamena. Darf ich Euch etwas anvertrauen?«
    Er richtete sich auf und funkelte mich böse an. »Ich bin ein Grieche von der Insel Kos, wie Hippokrates.«
    »In diesem Fall vergebt mir«, sagte ich. »Aber ich darf eigentlich selbst nicht wissen, was ich Euch nun erzähle.«
    Ich vertraute ihm nun also alles an, was der Lekeis Frithila mir über Amalamenas Leiden gesagt hatte, und der Arzt
    nickte feierlich dazu und zupfte an seinem Bart. Dann zeigte ich ihm den Weg zu den Frauengemächern. Er machte sich auf den Weg, und ich kehrte ins Ankleidezimmer des Bades zurück, um bequeme Hauskleider anzuziehen. Anschließend schlenderte ich durch das Haus und bewunderte die
    prachtvolle Ausstattung.
    Wie verabredet, wartete der Arzt später im Vorhof auf
    mich. Er sah mich düster an und sagte: »Wenn die
    Prinzessin zu Hause zu sterben wünscht, wo immer das sein mag, solltet Ihr keine Zeit verlieren, sie dorthin zu bringen.«
    Ich zuckte zusammen. »Wird es so bald mit ihr zu Ende
    gehen?«
    »Die Krebsgeschwulst hat sich durch das Gekröse und
    durch das Fleisch und die Haut gefressen und bildet jetzt eine offene schwärende Wunde. Es besteht kein Zweifel, daß die Geschwulst tödlich ist.«
    »Hat die Prinzessin Schmerzen?«
    »Angeblich nicht, doch sie lügt. Vielleicht sind sie im Moment noch nicht unerträglich, aber bald werden sie es sein. Ihr sagtet, Ihr hättet Alraunwurzeln mitgebracht. Wenn Ihr es wünscht, weise ich die Köche hier an, sie der
    Prinzessin ohne ihr Wissen ins Essen zu mischen.«
    Ich nickte trübe und befahl einem Soldaten in der Nähe, das Bündel mit der Wurzel zu holen. »Kann ich noch irgend etwas tun?«
    Der alte Alektor starrte abwesend vor sich hin und kratzte sich eine Zeitlang den Bart, bevor er antwortete. Dann sagte er nachdenklich: »Es gab eine Zeit, als wir an die Existenz von Göttinnen glaubten, die den Göttern ebenbürtig waren.
    In jener Zeit waren auch die sterblichen Frauen den
    sterblichen Männern gleichgestellt. Dann kam das
    Christentum. Es verkündete, Frauen seien weniger wert als Männer, befahl ihnen, den Männern zu dienen, und machte aus den Frauen bloßes Vieh, von ähnlich geringem Status wie von Sklaven gehaltene Sklaven.«
    »Mag sein«, sagte ich, verwirrt über die unerwartete
    Wendung des Gespräches. »Doch was wollt Ihr damit
    sagen?«
    »Selbst eine schöne, intelligente Prinzessin ist heute lediglich ein Schmuckstück, läppischer Tand, bestenfalls dazu bestimmt, die unterwürfige und stets im Hintergrund bleibende Frau irgendeines Prinzen zu werden. Sie handelt nie selbst. Gesetzt den Fall, Eure Prinzessin Amalamena hätte ein langes Leben vor sich, was würde sie damit
    beginnen?«
    Mir war immer noch nicht klar, worauf er hinauswollte, doch konnte ich genausogut philosophieren wie er. »Eine Flamme«, sagte ich, »tut nichts anderes, als so lange zu brennen, bis sie verlöscht. Vielleicht hat sie die ganze Zeit qualvolle Schmerzen, aber dennoch spendet sie herrliches Licht und Wärme.«
    Alektor grunzte mürrisch. »Nicht gerade viel, woran diese Flamme zurückdenken kann, wenn sie erlischt.«
    »Verzeiht, ehrenwerter Alektor«, sagte ich endlich.
    »Warum sprechen wir in Rätseln?«
    »Ich weiß nicht, in welcher Mission Ihr hier seid, junger Akantha, doch scheint der Prinzessin sehr daran gelegen zu sein, daß Ihr Erfolg habt. Ich schlage vor - und das ist das einzige, was ich anbieten kann - ihr fordert sie auf, Euch bei der erfolgreichen Durchführung Eurer Mission zu helfen.
    Anders als die meisten Frauen hat sie dann wenigstens
    etwas in ihrem kurzen Leben vollbracht, an das sie sich mit Stolz und Freude in ihrem späteren ewigen Leben erinnern kann. Mehr habe ich nicht zu sagen. Ich bringe die
    Alraunwurzeln jetzt in die Küche und gebe die
    entsprechenden Instruktionen. Möge Tyche Euch und Eurer Prinzessin wohlgesonnen sein.«
    2
    Es geschah nach meinem Willen: Der Eunuchenverwalter
    kam am nächsten Tag in aller Frühe zu unserem Haus, um mir mitzuteilen, Basileus Zeno werde mich noch am selben Morgen empfangen. Es war offensichtlich, daß der
    Oikonomos es gerne gesehen hätte, wenn ich mit
    überschwenglicher Freude und Dankbarkeit auf diese
    Ankündigung reagiert hätte. Statt dessen traf er mich bereits in Erwartung seiner Ankunft in meinem besten Staat an -
    dem frisch polierten Brustharnisch, dem grün bestickten Überwurf, dem Bärenfellmantel und dem polierten Helm, den ich unter dem Arm hielt -, ein Anblick, bei dem sich seine

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