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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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bei dem es sich um den Übersetzer Seuthes handelte, beugte sich aus den Reihen der Dienerschaft nach vorn, um dem Kaiser wörtlich zu wiederholen, was ich
    gesagt hatte. Zeno schnitt ihm mit einer ungeduldigen
    Handbewegung das Wort ab, nickte mir kurz zu und sprach mich dann lediglich als »Herr« an, auf Griechisch »Kurios«.
    Die Prinzessin beachtete er nicht.
    »Kurios Akantha«, knurrte er. »Es steht einem Gesandten schlecht zu Gesicht und dient nicht dem Interesse seines Herrn, sich diesem Hof gegenüber so unhöflich zu
    präsentieren und rücksichtslos auf dessen heiligen
    Traditionen herumzutrampeln.«
    »Ich wollte die Traditionen nicht verletzen, Sebastos. Ich war nur der Meinung, Basileus Zeno würde dem Brief
    meines Königs höchste Bedeutung zumessen und sollte ihn daher so schnell wie möglich zu Gesicht bekommen. Ich
    hoffe, Ihr verzeiht meine ungestüme Art.«
    »Ich kann Eure unziemliche Hast verstehen«, sagte Zeno.
    »Doch ein einzelner Gesandter sollte genügen, einen
    einzigen Brief zu überbringen. Warum habt Ihr einen
    Begleiter mitgebracht, und noch dazu eine Frau?«
    Da ich nicht den geringsten Grund dafür anführen konnte, sagte ich lediglich: »Sie ist des Königs eigene Schwester, eine königliche Prinzessin.«
    »Meine eigene Frau ist Kaiserin, eine Basilissa. Sie
    begleitet mich jedoch nicht einmal zu den Spielen im
    Hippodrom. Noch nie habe ich von solch kühner Anmaßung einer Frau gehört.«
    Natürlich konnte ich zu ihm nicht sagen, was ich zum
    Verwalter gesagt hatte: »Dann hört ihr es jetzt zum ersten Mal.« Doch blieb es mir erspart, überhaupt etwas sagen zu müssen, da Amalamena den Sinn der Unterhaltung erfaßt
    hatte und Zeno nun ihrerseits ansprach.
    »Ein anderer mächtiger Monarch namens Darius gewährte
    einst einer unbedeutenden Frau Audienz«, sagte sie. Zeno musterte sie überrascht. »Wie sie, Kaiser Zeno, trete ich vor Euch, in Begleitung des Saio Thorn, um Euch König
    Theoderichs Bitte zu überbringen, daß Ihr in Eurer Weisheit und Huld ein Bündnis mit ihm schließt.« Sie hielt den
    versiegelten Brief in die Höhe. »Und um Euch persönlich um Großmut zu bitten, im Namen des einzigen Bruders, den ich habe.«
    Kaum hatte Seuthes diese Worte für Zeno in Griechisch
    wiederholt, als der junge Rekitach Amalamena auf Gotisch anfuhr: »Euer Bruder Theoderich ist nicht König! Dieser Titel gebührt nur meinem...!« Er brach mitten im Satz ab, weil Zeno sich umwandte, ohne auf eine Übersetzung zu warten, und ihm einen zornigen Blick zuwarf.
    Dann bedachte mich Zeno mit einem ähnlich unwirschen
    Blick und sagte mürrisch: »Diese junge Frau hat wenigstens keine barbarischen Manieren und versteht es, sich mit
    Würde bei Hofe zu präsentieren.« Er richtete seine
    Aufmerksamkeit erneut auf die Prinzessin und sprach sie jetzt höflich mit dem Titel einer Mitgesandten an:
    »Sympresbeutes Amalamena, gebt mir Theoderichs Brief.«
    Sie überreichte ihm lächelnd den Brief, und er lächelte zurück. Myros und ich folgten seinem Beispiel, nur Rekitach funkelte Amalamena weiter böse an. Der Kaiser öffnete die wächsernen Siegel, entfaltete das Pergament und las den Brief, zunächst schnell, dann langsamer, wobei er sich mit der freien Hand über den kahlen Kopf strich und die Stirn runzelte.
    Schließlich sagte er: »Wie mir bereits berichtet wurde, behauptet Theoderich, die Sarmaten König Babais besiegt und die Stadt Sineidunum besetzt zu haben.« Zeno betonte das Wort »behaupten« besonders, deshalb sagte ich: »Ich war in der Schlacht und bei der Einnahme der Stadt dabei, Sebastos. Ich kann bestätigen, daß alles, was in diesem Brief steht, der Wahrheit entspricht.«
    »Tatsächlich, Kurios? Ich frage mich - würdet Ihr wohl wagen, dasselbe zu sagen, wenn der grausame Babai in
    eigener Person hier wäre?«
    »Er ist hier, Sebastos.« Ich setzte das Ebenholzkästchen auf dem Boden ab und löste die Verschlüsse, die seine
    Seiten auseinanderfallen ließen. Der Kopf König Babais, getrocknet, von bräunlicher Farbe und vom Rauch
    geschrumpft, wäre kein besonders beeindruckender Anblick gewesen, wäre da nicht der breite, feingearbeitete goldene Pokal gewesen, in den ihn der Goldschmied auf meine
    Anweisung hin eingesetzt hatte. Ich wies mit der Hand auf ihn.
    »Falls Euch der Sinn danach steht, einen passenden
    Trinkspruch auf Theoderichs Sieg in Singidunum
    anzubringen, Sebastos, laßt einen Handwerker einfach die obere Hälfte von Babais Schädel absägen und

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