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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Miene verdüsterte. Ich tat, als sei ich mit meiner Geduld am Ende, und sagte schroff: »Also gut, Myros. Wir sind bereit.
    Gibt es noch irgendwelche Formalitäten, die wir auf dem Weg zum Palast beachten müssen?«
    »Wir? Wer ist wir?«
    »Ich und Prinzessin Amalamena natürlich.«
    Myros stöhnte entsetzt auf und begann dann, mit sich
    überschlagender Stimme auf mich einzureden. Ich bereitete dem ein rasches Ende, indem ich in unmißverständlichem Ton erklärte, Amalamena werde mich auf jeden Fall
    begleiten. Er warf verzweifelt die Arme in die Luft und heulte:
    »Ich habe aber nur Pferde für Euch und mich selbst dabei!«
    Ich sah mich im Vorhof um. Ein beträchtliches Aufgebot an Männern wartete darauf, uns zu eskortieren - prächtig
    gekleidete
    Diener, bewaffnete Wachen und sogar eine Gruppe
    Musikanten Einer der Männer hielt die Zügel zweier Pferde, deren Sättel reich verziert und mit hoher Lehne und
    Baldachin ausgestattet waren so daß sie wie Throne
    aussahen.
    »Jesus«, knurrte ich. »Die Tore des Palasts sind kaum
    dreihundert Schritte von hier entfernt. Die Vorstellung, mit solchem Gepränge dorthin zu ziehen, ist lächerlich. Doch wenn es sein muß, meinetwegen. Die Prinzessin und ich
    reiten. Ihr könnt mit den anderen Eskorten zu Fuß gehen, Oikonomos.«
    Myros schnappte entsetzt nach Luft, doch genauso
    machten wir es dann - Amalamena und ich ritten, Myros
    stolperte in seinen langen, schweren Gewändern hinter uns her. Beinahe wäre er noch von den Wachen
    niedergetrampelt worden, die zur schwungvollen lydischen Marschmusik der Musiker zügig losmarschierten.
    Ich hatte bemerkt, wie Amalamena vor Schmerz das
    Gesicht verzog, als einer unserer Bediensteten ihr auf den kunstvollen Sattel ihres Pferdes half, und wieder, als man ihr beim Absteigen behilflich war. Ihr Schritt war jedoch stolz und beschwingt, als wir durch ein mächtiges Bronzeportal den Palast betraten und mit Myros durch Hallen und endlose Korridore schritten. In einem Raum waren die Geschenke, die wir Zeno gebracht hatten, auf Tischen mit purpurnen Decken aufgebaut - oder jedenfalls fast alle unsere
    Geschenke, denn eines hatte ich dem Verwalter nicht
    ausgehändigt. Ich trug es in einem kunstvoll geschnitzten Kästchen aus Ebenholz bei mir. Da das Kästchen sehr
    schwer und unhandlich war, trug Amalamena das
    zusammengefaltete, mit Wachs versiegelte Pergament
    Theoderichs.
    Dem Beispiel von Myros neben uns folgend, schritten die Prinzessin und ich langsam und mit mehreren Pausen durch den Thronsaal und knieten dann vor Basileus Zeno nieder, der auf einem mit purpurnen Kissen belegten Thron aus
    Porphyr saß.
    Zeno war ein kahlköpfiger Mann in mittleren Jahren, doch sein untersetzter Körper war immer noch so kräftig und muskulös, daß er den Vergleich mit anderen Kriegern nicht zu scheuen brauchte. Farbe und Beschaffenheit seines
    Teints erinnerte an einen Ziegelstein. Er trug keine
    kaiserliche Toga, sondern Überwurf und Tunika und sogar die Stiefel eines Soldaten. Seine Erscheinung stand in auffälligem Gegensatz zu der der Bediensteten, die neben und hinter seinem Thron standen. Die meisten waren von griechischem Typus, dunkel und schlank, parfümiert und so makellos gekleidet, daß sie sich kaum zu rühren wagten, aus Furcht, die sorgsam arrangierten, fast plastischen Faltenwürfe ihrer Gewänder könnten durcheinandergeraten.
    Nur einer von ihnen, der Mann an Zenos rechter Seite war offensichtlich kein Grieche, obwohl er ebenso elegant wie die anderen gekleidet war. Er war ungefähr so alt wie ich und hatte auch dieselbe helle Haut, und sein
    Erscheinungsbild wäre angenehm gewesen, hätte nicht sein Gesicht an die stumpfsinnigen, verdrießlichen Züge eines Karpfens erinnert und wäre sein Hals nicht so kurz wie der Hals dieses Fisches gewesen.
    »Das muß Rekitach sein«, flüsterte die Prinzessin mir zu, als wir mit gesenkten Köpfen in kniender Position verharrten.
    »Der Sohn Strabos.«
    Als Zeno uns durch ein Knurren bedeutete, uns zu
    erheben, begrüßte ich ihn ehrerbietig als »Sebastos«, das griechische Äquivalent zu »Hoheit«, und stellte mich und die Prinzessin als Gesandte seines »Sohnes« Theoderich, des Königs der Ostgoten, vor. Daraufhin verzog der junge
    Rekitach - denn es handelte sich offenbar tatsächlich um ihn, und er schien auch etwas Griechisch zu verstehen - für einen Augenblick die Lippen zu einem Hohnlächeln, und er sah nun gar nicht mehr aus wie ein Karpfen. Ein anderer junger Mann,

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