Der Greif
eigenen
Gemächer auf, dann ging ich weiter zu Amalamena.
Swanilda verließ höflich den Raum, in dem ihre Herrin lag, und ich sagte: »Amalamena, der Arzt teilte mir soeben mit, daß du gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe bist. Ich zweifle nicht daran, daß meine Frage müßig ist, doch als der für dich Verantwortliche muß ich sie stellen. Wirst du hier bleiben, wo du angemessen versorgt werden kannst,
während ich mit dem Vertrag auf dem schnellsten Weg zu Theoderich zurückkehre?«
Sie lächelte, zaghaft zwar, aber immerhin. »Wie du
sagtest, eine müßige Frage. Du meintest neulich, daß ich zumindest teilweise für das Zustandekommen des Vertrags verantwortlich gewesen sei. Sicher wirst du mir nicht
verwehren, den Stolz und die Freude darüber mit meinem Bruder zu teilen.«
Ich seufzte und breitete die Hände aus. »Ich habe einst auch noch etwas anderes gesagt: daß ich dir nie etwas
abschlagen könnte.«
»Als Gegenleistung verspreche ich dir, Thorn, daß ich das Tempo unserer Reise nicht verzögern werde. Diese neue
Medizin, diese Substanz, die wie abgeblätterte Rinde
aussieht, was immer das auch sein mag, es hilft mir gegen meine... gegen diese vorübergehende Unpäßlichkeit... viel besser als alles, was mir der Lekeis Frithila früher gegeben hat. Mit Hilfe dieser Medizin brauche ich nicht mehr wie eine gelangweilte feine Dame im Halbschlaf im Wagen vor mich hinzudämmern. Wir können den Wagen hierlassen, und ich werde die ganze Strecke auf meinem Maultier zurücklegen.«
»Nein, nein, sei keine Närrin. Ich werde einen schnellen Reiter mit dem Dokument vorausschicken. Wir übrigen
können in gemächlicherem Tempo nachkommen. Mit Wagen
und allem, was dazugehört. Ich habe dem Arzt Alektor
geschworen, daß du nach Strich und Faden verwöhnt wirst, sogar noch mehr, als Swanilda das könnte.«
»Besser als Swanilda? Unsinn. Swanilda sorgt für mich, seit wir beide kleine Mädchen waren. Wir sind nicht Herrin und Dienerin, wir sind Freundinnen.«
»Dann kann sie dir jetzt einen wirklichen
Freundschaftsdienst erweisen. Mit deiner Erlaubnis habe ich eine andere Aufgabe für Swanilda vorgesehen, und während ihrer Abwesenheit werde ich für dich sorgen. Ich habe von früher Erfahrung in der Versorgung von Kranken.«
Dachte man freilich an das Schicksal, das meine Patienten schließlich ereilt hatte -
den Juikabloth, den jungen
Gudinand und den alten Wyrd -, sprach das nicht gerade für meine Fähigkeiten als Krankenpfleger. Amalamena
jedenfalls mußte wieder lächeln, und es war ein Lächeln, das liebevolle Dankbarkeit ausdrückte.
Doch sagte sie fest: »Eine männliche Krankenschwester
für einen weiblichen Patienten? Undenkbar.«
»Amalamena, deiner Schönheit und Tapferkeit ist es zu
verdanken, daß der Vertrag zustande kam, und ich werde nicht zulassen, daß das, was du erreicht hast, umsonst war.
Das Dokument muß sicher und schnell zu Theoderich
gelangen. Geschieht das nicht, kann Zeno so tun, als habe er es nie geschrieben und als habe er nie zugestimmt. Und wie du weißt, habe ich Zweifel an Zenos gutem Willen. Ich will sichergehen, daß das Dokument auch wirklich in
Theoderichs Hände gelangt, und deshalb bitte ich dich um deine weitere Hilfe bei dieser Mission. Tatsächlich kann das, was ich vorhabe, nicht ohne deine Hilfe durchgeführt
werden. Und um sie zu bekommen, bin ich bereit, selbst eine recht ungewöhnliche Maßnahme zu ergreifen. Vielleicht bist du geschockt, betrübt oder angeekelt, ich weiß es nicht, doch vertraue ich darauf, daß du es als Geheimnis zwischen uns hüten wirst.«
»Was hast du nun schon wieder vor, Thorn?« fragte sie in gespielter Furcht, als ich die Tür schloß und verriegelte.
»Verführung oder Vergewaltigung?«
Ich ging nicht auf den scherzenden Ton ein, in dem sie das sagte. Obwohl ich versprochen hatte, die Prinzessin so oft wie möglich zum Lachen zu bringen, war das, was ich jetzt vorhatte, für mich alles andere als komisch. »Ich bin im Begriff, dir die Frau vorzustellen, die dich während unserer Reise betreuen wird. Ihr Name ist Veleda.«
»Ihr Name? Ich dachte, du wolltest selbst...« Sie stockte.
Ich hatte angefangen, mich auszukleiden, und sie versuchte, nun wirklich erschrocken, über das Bett aus meiner
Reichweite zu gelangen. Ich glaube, sie vergaß ihre eigenen Sorgen und alles um sich herum, zumindest in dem
Augenblick, als ich alle meine Kleider bis auf das
»Schamband« um meine Hüften abgelegt hatte. »
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