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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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weniger meinen
    Erwartungen. Doch was würde Theoderich darauf
    antworten? Selbst wenn Swanilda ihn nicht erreicht und Zenos Vertrag nicht überbracht haben sollte bezweifelte ich stark, daß Theoderich auf irgendeine von Strabos
    Forderungen eingehen würde. Nein, nicht einmal um der
    Sicherheit seiner geliebten Schwester willen. Schließlich war er König zu vieler Menschen, um ihre Hoffnungen wegen
    einer einzigen jungen Frau aufs Spiel zu setzen. Dennoch war er sicherlich sehr beunruhigt über die Nachricht, daß Amalamena gefangengehalten wurde und in Gefahr
    schwebte.
    Nicht weniger betrübt wäre er natürlich, wenn er erführe, daß Amalamena bereits tot war, doch zumindest bliebe ihm dadurch erspart, sich Gedanken darüber zu machen, wie er sie retten könnte, wobei er wahrscheinlich sich oder andere in Gefahr bringen würde. Wie konnte ich es anstellen, ihm diese Nachricht zukommen zu lassen? Gib' nicht nach,
    Theoderich. Täusche nicht einmal vor, mit Strabos
    erpresserischen Bedingungen einverstanden zu sein. Deine Position ist unangreifbar, Theoderich, und irgendwo existiert immer noch Zenos echtes Dokument, das deine Position
    bestätigt.
    Ich überlegte hin und her, wie ich ihm das alles mitteilen könnte, als plötzlich etwas völlig Unerwartetes geschah. Als habe er meine Gedanken erraten, gebot mir der Wächter
    draußen: »Prinzessin, macht keine unüberlegten
    Bewegungen oder Geräusche. «
    Ein oder zwei Wächter waren immer da, doch lösten sie
    sich natürlich ständig gegenseitig bei der Wache ab. Ich schenkte ihnen jedoch keinerlei Aufmerksamkeit, wenn ich nicht gerade bewußt ihre Beleidigungen, glotzenden Blicke oder liederlichen Belästigungen ignorierte. Deshalb hätten es auch immer derselbe Mann oder dieselben Männer sein können, ich konnte sie nicht unterscheiden. Doch dieser hier kam, als er zu sprechen begann, nicht ins Zimmer geplatzt.
    Er sprach mit gedämpfter Stimme vom Flur aus, und seine Stimme klang respektvoll.
    »Prinzessin, ich muß schnell sprechen, denn im Moment
    ist kein anderer zugegen.«
    Unter leichtem Stottern antwortete ich: »Wer... wer bist du?« Und machte eine Bewegung auf die Tür zu, hielt
    jedoch inne, als er sagte:
    »Ne, kommt nicht näher. Wir dürfen nicht riskieren, daß man sieht, wie wir uns unterhalten. Mein Name ist Odwulf, Prinzessin. Ich bin sicher, daß Ihr mich nicht vom Sehen kennt, und ich habe Euch bis jetzt auch nur aus einiger Entfernung gesehen. Doch war ich einer von Eurer Kolonne
    - ein Ulan von Optio Dailas Schar - ich war den ganzen Weg von Novae nach Konstantinopel bis zu der Abschlachterei am Fluß Strymon dabei.«
    »Aber... aber... warum bist du nicht tot wie alle anderen?«
    »Mein Pech, Prinzessin«, sagte er, und sein Mißmut wirkte nicht gekünstelt. »Vielleicht erinnert Ihr Euch, daß der Optio hier und dort Wachposten entlang der Straße und des
    Flusses aufstellte. Zwei andere - mich selbst und einen Mann namens Augis - wies er an, ganz nach oben auf den Paß über dem Lager zu klettern, um von dort Wache zu
    halten.«
    »Ja... ja. Ich erinnere mich.«
    »Augis und ich waren gerade oben angekommen, als
    Strabo und seine Männer ihren Angriff starteten. Als wir begriffen, was da im Gange war, kletterten wir sofort wieder den Felsen hinunter. Doch war alles zu schnell vorbei. Ich bedaure das, Prinzessin. Wir bedauern es beide.«
    »Tu' das nicht, Odwulf. Es ist besser, daß du überlebt hast. Ich habe mir heute den Kopf zerbrochen, wie ich ein Wunder bewirken könnte. Du bist die Antwort darauf. Doch wie kommt es, daß du hier bist?«
    »Nach dem Kampf herrschte völlige Verwirrung - Strabos Männer rannten herum, um die Pferde wieder einzufangen, die sie auseinandergetrieben hatten, andere zogen unsere toten Kameraden aus und plünderten ihre Leichen. Wir
    sahen, wie Ihr zum Feuer geführt wurdet. Wir hofften, daß Strabo auch den Marschall unseres Königs verschont hätte.
    Doch fanden wir von Saio Thorn nur seinen Helm und seine Rüstung. Es waren die einzigen wertvollen Stücke, die die Plünderer liegengelassen hatten - wie Ihr wißt, war der Marschall ein kleiner Mann, und seine Rüstung paßte
    keinem anderen. Auf jeden Fall muß ich mit Bedauern
    mitteilen, daß Saio Thorn offensichtlich mit den anderen zusammen starb.«
    »Seid Euch da nicht zu sicher«, sagte ich und lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. »Der Marschall war
    ebenfalls ein gewitzter Mann.«
    »Doch niemals ein Feigling«, verteidigte Odwulf mich

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