Der Greif
in unerschütterlicher Treue. »Ich habe gehört, wie er in
Singidunum gekämpft hat. Jedenfalls nahmen Augis und ich seine Rüstung mit - für alle Fälle. Oder hoffnungsvoll.«
Ich unterdrückte eine freudige Anwandlung, in laute
Dankesbekundungen auszubrechen. Meine maßgefertigte
Rüstung war immer noch in Sicherheit; ich wußte auch, wo mein Pferd und mein Schlangenschwert waren; und nun
hatte ich auch noch unerwarteterweise - ich konnte es kaum glauben- zwei tapfere Verbündete gefunden, die sich in meiner Nähe aufhielten.
»Doch Ihr habt überlebt, Prinzessin«, fuhr Odwulf fort.
»Deshalb dachten Augis und ich, wenn wir in der Nähe
blieben, könnte sich vielleicht irgendwann einmal eine Gelegenheit ergeben, Euch zu retten.«
»Und Ihr folgtet Strabos Kolonne den ganzen Weg bis
hierher?«
»Ne, ne. Wir waren in der Kolonne. Wir haben uns einfach unter die anderen gemischt und sind geritten, wenn sie es auch taten. Ach, wir waren schon manchmal in Gefahr,
entdeckt zu werden. Doch ist die Truppe stärker als hundert Mann. Bei so vielen Männern kennt nicht jeder jeden
anderen. Vielleicht hätte uns der Optio, Ocer, am ehesten als Fremde entlarven können, doch bemühten wir uns, ihm nicht unter die Augen zu geraten. Erst jetzt, da Ocer
abgereist ist, ließ ich mich von einem Vorgesetzten für diese Wache einteilen und - slavaith, Prinzessin. Da kommt
jemand.«
Es war ein anderer Unteroffizier, der den Flur
entlanggestapft kam und in Strabos Zimmer trat. Erst als Strabo und er sich laut miteinander unterhielten, fing Odwulf wieder leise zu sprechen an:
»Ihr sagtet, Prinzessin, daß Ihr ein Wunder vollbringen wolltet. Sagt mir, welches, und ich werde versuchen, es zu schaffen.«
»Zunächst muß ich dir mitteilen, ritterlicher Krieger, daß ich nicht deine Prinzessin Amalamena bin. Aber...«
»Was?« platzte er heraus.
»Aber ich handle auf Anweisung der Prinzessin, ihren
Platz einzunehmen, und Strabo glaubt auch, daß ich
Prinzessin Amalamena bin.«
»Aber... aber... wer seid Ihr dann?«
»Auch mich hast du nur aus der Entfernung gesehen. Ich bin die Zofe der Prinzessin, Swanilda.«
Odwulfs gemurmelte Kommentare klangen nun fast
erstickt. »Liufs Guth! Augis und ich haben unser Leben riskiert, um einer Dienerin auf den Fersen zu bleiben?«
»Ich habe auf Amalamenas Anweisungen hin gehandelt,
wie ich schon sagte. Und das müßt ihr auch, aus Treue zu ihr.«
Wir wurden erneut unterbrochen, als Strabo und sein
Besucher aus dem Zimmer gegenüber kamen und, unter
rauhem Gelächter, den Flur hinuntergingen. Als sie fort waren, kam Odwulf endlich in mein Zimmer und starrte mich an.
»Siehst du?« sagte ich. »Ich habe graue Augen.
Amalamena hatte blaue.«
Er runzelte die Stirn und fragte: »Was wollt Ihr damit sagen sie hatte ? Hat Strabo auch die Prinzessin getötet?«
»Ne. Strabo glaubt, er halte sie gefangen, aber alles, was er hat, bin ich.«
Odwulf schüttelte den Kopf, als könne er sich dadurch
mehr Klarheit verschaffen, dann seufzte er und sagte: »Nun gut. Wenn Ihr alles seid, was übrig ist, werden Augis und ich eben Euch befreien. Wir müssen einen Plan fassen, wie wir am besten...«
»Ne«, sagte ich. »Ich möchte nicht befreit werden.«
Nun starrte er mich völlig fassungslos an. »Seid Ihr von Sinnen, Frau?«
»Keine weiteren Fragen, Ulan Odwulf. Solange wir noch
Zeit haben, mußt du zuhören und dann das tun, was ich dir sage.«
Er murmelte etwas verstockt: »Alle Götter mögen mich
verdammen, wenn ich verstehe, was hier vor sich geht. Ich bin es jedenfalls nicht gewohnt, Anordnungen von einer weiblichen Bediensteten entgegenzunehmen.«
»Wenn du sie hörst, wirst du sie freudig befolgen. Nun slavaith, und hör zu. Du sahst Optio Ocer von hier
aufbrechen. Er ist auf dem Weg nach Singidunum, um
Theoderich Strabos Lösegeldforderungen zu überbringen
und geltend zu machen, daß Strabo Amalamena als Geisel gefangenhält. Theoderich muß mitgeteilt bekommen, daß
das nicht stimmt.«
Odwulf dachte kurz darüber nach und sagte dann: »Ja,
das verstehe ich. Sobald ich bei dieser Wache abgelöst werde...«
»Ne, ne. Nicht du sollst gehen. Nun, da ich dich kenne und auch wiedererkennen kann, Odwulf, bleib' bei diesem Trupp und tu dein bestes, nicht entdeckt zu werden. Sende deinen Kameraden Augis zu Theoderich. Sag ihm, er solle hinter Ocer hergaloppieren - oder, wenn möglich, vor Ocer
Singidunum zu erreichen versuchen. Hier, gib ihm das mit.«
Ich gab
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