Der Greif
ihm den goldenen Hammer des Thor. »Dies wird der Beweis für die Wahrheit seiner Botschaft sein. Sag' Augis, er solle Theoderich diese Nachricht überbringen.
Unglücklicherweise gibt es nichts, was er tun kann, um seine Schwester, die Prinzessin, zu retten. Die traurige Tatsache ist, daß Amalamena tot ist.«
»Jesus.« Odwulf machte das Kreuzzeichen auf seiner
Stirn. »Ihr sagtet doch, sie sei nicht getötet worden.«
»Sie starb an einer auszehrenden Krankheit. Theoderich kann das bestätigt bekommen, wenn er einen Boten nach
Novae entsendet und dort bei seinem Hofarzt Frithila
nachfragen läßt. Doch vor ihrem Tod vereinbarten die
Prinzessin und ich noch diesen Austausch. Ich sollte mich für sie ausgeben, um Strabo zu täuschen. Verstehst du, solange er denkt, daß er Amalamena gefangen hält und
darauf wartet, daß Theoderich sich seinen Forderungen
beugt, bedeutet Strabo weder eine Bedrohung noch ein
Hindernis. Theoderich kann mit seinen eigenen Plänen
fortfahren, seine Macht über Moesia verstärken, seine
Beziehungen zu Zeno festigen und fast alles tun, was ihm gefällt. Verstehst du das?«
»Ich... ich glaube ja. Und deshalb wollt Ihr nicht befreit werden?«
»Ja. Außerdem sehe, höre oder erfahre ich vielleicht
etwas von seinen eigenen Plänen und Absichten, solange ich in Strabos Gesellschaft bin - Dinge, die ich später Theoderich mitteilen kann und durch die ihm Vorteile
entstehen.«
Odwulf nickte und schwieg einen Moment. Dann sagte er:
»Vergebt mir, Swanilda, daß ich vorhin so unhöflich zu Euch war. Ihr seid eine tapfere und kluge junge Frau. Ich werde Augis auch sagen, er solle Theoderich das mitteilen.«
Die Reise dauerte wirklich sehr lang. Die Entfernung
zwischen Serdica und unserem Zielort stellte sich als viel größer heraus als die zwischen Novae und Konstantinopel, die meine eigene Kolonne zurückgelegt hatte. Ich sah das Schwarze Meer zum ersten Mal, als wir einen unbewohnten Streifen seiner haemimontischen Küste erreichten. Wir ritten dann an dieser Küste entlang nach Norden, über die
unsichtbare Grenze hinweg in die Provinz Moesia Secunda, was bedeutete, daß wir uns auf einem Gebiet befanden, das rechtmäßig Theoderich zustand - deshalb führte uns Strabo so schnell Wie möglich durch diesen Landstrich, wobei er den Kurs nach Norden beibehielt und wir schließlich das Schwarze Meer nicht mehr sehen konnten. Erst als wir eine weitere unsichtbare Grenze überquert hatten, die uns in die Provinz Skythien führte, wandten wir uns wieder nach Osten und erreichten schließlich die Küstenstadt Constantiana.
Die Stadt war auch von Konstantin dem Großen gegründet worden, und ihr Name geht auf die Schwester jenes Kaisers zurück, Constantia. Strabo hatte sie einfach besetzt,
benutzte sie, ob zu Recht oder Unrecht, momentan als seine Hochburg und betrachtete sie offenbar als seine
»Hauptstadt«. Nun, Constantiana verdiente damals wie
heute einen klangvollen Titel, denn es ist eine schöne, angenehme, dicht besiedelte Stadt, in deren großem Hafen sich - wie in dem von Perinthus am Propontis - viele Küsten-und Hochseeschiffe tummeln. Strabos Wohnsitz und
Praitoriaun waren unter demselben Dach vereint, doch
handelte es sich dabei um ein äußerst umfangreiches Dach, das sich über zahlreiche Gebäude, Baracken, Lagerhäuser, Sklavenunterkünfte, Ställe und dergleichen erstreckte, ähnlich dem Purpurpalast in Konstantinopel, wenn auch von geringerer Größenordnung. Die Palast- , Verwaltungs- und Militärgebäude präsentierten der übrigen Stadt eine
gleichmäßige, schmück- und fensterlose Steinfassade, doch innen waren viele kleine Gärten, Innenhöfe und ein
ausgedehnter Paradeplatz. Ich wurde zu einem der
Innenhöfe geführt, und Strab teilte mir mit, daß es sich dabei um meinen eigenen privaten Hof handele, in dem ich mich frei bewegen könne. Er war von Mauern eingeschlossen, die zu hoch waren, als daß ich sie hätte überwinden können, und in einer der Mauern befand sich eine Tür - vor der natürlich ständig ein Wächter postiert sein würde - die in meine Privaträume führte.
Die Zimmer hatten Fenster, die auf einen der Gärten
hinausgingen, doch war der Garten zu dieser Jahreszeit dürr und unfruchtbar, und die Fenster waren fest vergittert. Ein Dienstmädchen war schon angewiesen worden, als meine
ständige Betreuerin zu fungieren. Sie hatte ein kleines Zimmer für sich. Camilla verdiente kaum die Bezeichnung Kammerzofe, da sie nur ein
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