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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Gefangennahme, lange bevor er Ocer entsandte, um Lösegeld von Euch zu fordern, entjungferte Strabo die Frau, die er für eine Prinzessin hielt - die Frau, die, nach dem Ehrenkodex aller Krieger, während ihrer Gefangenschaft unter seinem Schutz hätte stehen sollen.«
    Theoderich knurrte und obwohl er kein Schwert trug,
    machte er eine unwillkürliche Handbewegung auf seinen
    Gürtel zu.
    Ich berichtete kurz von den anschließenden Ereignissen und schloß mit den Worten: »Du siehst also, wie der Bote Hiob konnte ich allein entkommen, um dir diese Dinge zu erzählen.« Theoderich sagte, wieder etwas ruhiger:
    »Nichtsdestoweniger erfülltest du in bewundernswerter
    Weise die Mission, zu der ich dich entsandt hatte. Ich und mein ganzes Volk stehen tief in deiner Schuld.
    Selbstverständlich werde ich meiner geliebten Schwester ein prächtiges Ehrengrabmal errichten lassen. Und ein weiteres, nur geringfügig unauffälligeres, soll zu Ehren von Odwulf und Daila und all ihren Kameraden, die auch ihr Leben
    lassen mußten, erbaut werden. Was Augis hier betrifft, so habe ich ihn vor einiger Zeit zum Anführer der Ulanen
    befördert. Als Zeichen meiner Dankbarkeit gegenüber jener Chasar-Frau, die uns so vortrefflich diente, werde ich unseren Palastpriester anweisen, eine Messe für ihre Seele abzuhalten. Habe ich irgend jemanden übersehen, Saio
    Thorn?«
    »Ne«, sagte ich. »Und ich habe auch sonst nichts mehr zu berichten außer einigen zufällig aufgeschnappten
    Neuigkeiten und Klatschgeschichten, die
    Staatsangelegenheiten betreffend. Sie würden
    wahrscheinlich niemanden außer dir interessieren,
    Theoderich.«
    Er verstand meinen subtilen Hinweis, stand auf, streckte sich gähnend und erklärte das Treffen für vertagt.
    Der Lekeis und der Ulan verließen das Zimmer.
    Theoderich, ich und Soas, der andere Marschall, blieben zurück. Als wir zu unseren Liegen zurückschlenderten,
    flüsterte ich Theoderich zu:
    »Diese gutaussehende und vornehm gekleidete junge
    Dame, die die Met-Schale mithereintrug - ist das nicht das Mädchen aus Singidunum, das du Aurora zu nennen
    pflegtest?«
    »Ja«, erwiderte Theoderich, ohne im geringsten die
    Stimme zu senken. »Ich nenne sie immer noch Aurora. Ich vergesse ständig ihren richtigen Namen. Es sprach sich herum, daß sie ein Kind von mir erwartete, deshalb...« Er grinste, halb stolz, halb albern und zuckte die Schultern.
    »Meine Glückwünsche euch beiden«, sagte ich. »Doch...
    du hast sie geheiratet und erinnerst dich nicht einmal an ihren Namen?«
    »Sie geheiratet? Gudisks Himins, ne, das könnte ich nicht machen. Es kann ihr daher selbstverständlich auch kein offizieller Titel zugesprochen werden. Doch bewohnt sie jetzt Amalamenas frühere Gemächer und erfüllt alle Pflichten einer königlichen Gemahlin. Das wird so lange der Fall sein, bis ich eines Tages eine Frau von genügend hohem Rang
    finde, die ich zur Frau nehmen kann.«
    »Und wenn das nicht geschehen sollte?«
    Er zuckte wieder mit den Schultern. »Mein Vater hatte
    auch nie eine rechtmäßige Königin. Unsere Mutter war auch nur seine Konkubine. Das brachte keinen Makel oder
    irgendwelche sonstigen Nachteile für uns mit sich. Alles, was in Bezug auf die Thronfolge zählt, ist, daß ich Auroras Kind -
    oder ihre Kinder - als meine eigenen anerkenne.«
    Als wir wieder begannen, Met aus der Schale zu schöpfen, sagte ich: »Ich habe jetzt sehr lange geredet. Was ich noch an Gerüchten, Klatschgeschichten und aufgeschnappten
    Indiskretionen zu berichten habe, kann noch ein wenig
    warten. Ich würde gern erfahren, was sich hier im Westen ereignet hat, solange ich fort war.«
    Theoderich gab Soas einen Wink, und der wortkarge
    Mann berichtete in wenigen knappen Worten von seiner
    eigenen Mission an einem kaiserlichen Hof. Wie ich bereits wußte, hatte Saio Soas in Ravenna nicht Julius Nepos als Kaiser angetroffen, sondern den ›Kleiner Augustus‹
    genannten Knaben, der gerade zum Imperator gekrönt
    wurde. Da der Wechsel mannigfache Verzögerungen mit
    sich brachte - die Krönungsfeierlichkeiten, die Ernennung neuer Berater und vieles mehr - blieb Soas nichts anderes übrig, als untätig zu warten, bis er Theoderichs Nachricht und den geräucherten Kopf des Legatus Camundus
    überbringen konnte. Selbst nachdem sich die Aufregung
    etwas gelegt hatte und der neu ernannte junge Kaiser
    anfing, Audienzen zu gewähren, waren viele andere
    Abgesandte noch vor Soas an der Reihe. Als der
    verabredete Termin dann

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