Der Greif
meinen Kurier Augis handelte, auch ein Ulan wie der verstorbene Odwulf.
Er mußte es sein, denn er starrte mich an, als wäre ich der auferstandene Geist Thorns oder ein Gespenst, das die
Gestalt Thorns angenommen hatte und es war auch
tatsächlich Augis gewesen, den ich mit der Nachricht von Thorns Tod hierher geschickt hatte.
»Du hast nur eine Person nicht hierher bestellt,
Theoderich«, sagte ich. »Strabos Optio Ocer. Ich bin äußerst erpicht darauf, wieder mein eigenes Schwert in Empfang zu nehmen.«
»Du wirst in Kürze wieder vollständig mit allem
ausgerüstet sein. Doch laß mich dich zunächst
beglückwünschen - preisen zu dem überwältigenden Erfolg deiner Mission. Du hast dich als wahrer Ostgote erwiesen, ein beispielhafter Marschall, ein würdiger Herizogo. Die Berichte über diese Mission, die zu uns gelangten, waren jedoch nur bruchstückhaft. Du mußt uns die ganze
Geschichte berichten, die Lücken ausfüllen. Fang' doch damit an, uns - und vor allem dem konsternierten Augis dort drüben - zu erklären, wie es kommt, daß du noch lebst.«
Ich breitete in einer Geste kummervoller Resignation die Arme aus und sagte: »Ne, laßt mich zunächst meiner Trauer Ausdruck geben über jene, die nicht mehr leben. Optio Daila und meine ganze übrige Schwadron mit Ausnahme des
trefflichen Augis dort. Ich hoffe, der Erfolg der Mission rechtfertigt ihren beklagenswerten Verlust. Von all denen, die wir verloren haben, beklage ich am meisten den Tod deiner werten Schwester, Theoderich. Ich hatte Amalamena noch mehr ins Herz geschlossen als selbst du es konntest.«
»Ich hätte dir diese Verantwortung nicht aufbürden
sollen«, sagte er reuevoll. »Doch hatte ich keine Ahnung, daß sie in irgendeiner Weise krank war. Frithila erzählte mir natürlich alles darüber - und daß kein Sterblicher ihr mehr hätte helfen können.«
»So gut ich konnte«, sagte ich, »hielt ich mich an die Anweisungen des Lekeis. Ich versuchte, ihre Stimmung zu heben und dadurch ihre Lebensgeister zu wecken.«
»Und... sie starb dann tapfer«, sagte Theoderich, eine Formulierung wählend, die weder eine Feststellung noch eine Frage war. Nicht ganz bei der Wahrheit bleibend sagte ich: »Ja, sie sah ihrem Tod tapfer entgegen, da sie wußte, daß er unvermeidlich war. Doch am Ende brauchte sie gar nicht tapfer zu sein. Das allerletzte Mal, als ich Amalamena lebend sah, schien sie bei guter Gesundheit und guter
Laune zu sein; sie hatte sogar großen Appetit. Äußerst vergnügt bat sie mich, zu gehen und ihr das Abendessen zu bringen. Als ich damit zurückkam, war sie tot. So schnell so einfach, so friedlich.«
Theoderich seufzte und sagte: »Ich bin froh darüber. Und ich bin froh, daß du überlebt hast, um mir davon zu
berichten. Es trägt dazu bei, den Schmerz über ihren Verlust zu mindern. Doch wer war dann die in Gefangenschaft
gehaltene Frau, die Strabo als meine Schwester ausgab?
Die Frau, für deren Freilassung Optio Ocer diverse
Gegenleistungen forderte.«
»Strabo glaubte wirklich, sie sei deine Schwester, die Prinzessin. In Wirklichkeit war sie eines der Chasar-Dienstmädchen, die uns im Purpurpalast versorgten.
Amalamena übernahm die Frau als ihre Kammerzofe,
nachdem wir Swanilda befohlen hatten, mit Zenos Vertrag hierher zu reiten. Ich nahm an, daß die echte Swanilda« - ich deutete auf sie - »bei Augis' späterer Ankunft mit der Nachricht, daß Strabo nicht Amalamena, sondern eine
Stellvertreterin in seiner Gewalt habe, erraten würde, wer diese Frau sein mußte.«
»Und Swanilda stellte auch tatsächlich diese Vermutung an«, sagte Theoderich. »Doch fiel es mir schwer, daran zu glauben. Wie hätte Strabo eine dunkelhaarige, olivenhäutige Chasar-Bedienstete irrtümlicherweise für eine amalische Prinzessin halten können?«
»Nun, die Frau war außergewöhnlich geschickt für eine
Kammerzofe«, erwiderte ich und verstrickte mich immer
tiefer in meine Lügen. »Sie bleichte ihr Haar und ihre Haut äußerst professionell. Sogar alle unsere eigenen Männer wurden getäuscht - aus der Entfernung. Nicht wahr, Augis?«
Der Ulan nickte, mit weit aufgerissenen Augen. »Später, als sie von Strabo gefangengehalten wurde, gelang es mir, in Verbindung mit ihr zu bleiben. Wie Augis und Odwulf, ein weiterer unserer treuen Anhänger, hatte ich mich unbemerkt unter Strabos eigene Krieger gemischt.«
Augis riß die Augen noch weiter auf, und er nickte nicht, um dieser Bemerkung beizupflichten. Er fragte
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