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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zu
    müssen. Es war eine der wenigen Zeiten in meinem Leben, da ich Muße und Gelegenheit hatte, mich selbst zu
    verwöhnen - beide Seiten von mir - und ich genoß dieses Wohlleben in vollen Zügen.
    Von allen männlichen Liebhabern erinnere ich mich nur
    noch an den Namen eines einzigen - Widamer - und ich
    habe einen guten Grund, diesen Namen in lebhafter
    Erinnerung zu behalten. Obwohl ich nur zweimal mit ihm zusammen war, sollte mein Treffen mit Widamer dort in
    Novae schließlich zu einer anderen Begegnung führen - der erstaunlichsten meines Lebens, möglicherweise der
    phantastischsten, die je das Leben irgendeines Menschen ragt. Natürlich begegnete ich Widamer auf einem Marktplatz in Novae auf dieselbe Weise, wie ich andere Männer
    kennengelernt hatte, und wir erfanden irgendeinen Vorwand, um uns vorzustellen und einander näher kennenzulernen.
    Widamer war ungefähr vier oder fünf Jahre jünger als ich und wie jeder junge Gote von höherem Rang gekleidet, doch mutete der Schnitt seiner Gewänder etwas fremdländisch an, woraus ich schloß, daß er wahrscheinlich Westgote und nicht Ostgote war. Bei unserem ersten Wortgeplänkel
    bestätigte er meine Vermutung. Er sei den weiten Weg von Aquitania hierher gekommen, sagte er, nur um eine
    Botschaft zu überbringen, und werde sich nur so lange in Novae aufhalten, bis er eine schriftliche Antwort auf diese Botschaft bekäme, dann würde er wieder in sein Heimatland zurückkehren.
    Das kam mir sehr gelegen. Ich zog einen Besucher auf der Durchreise einem ortsansässigen Einwohner vor. Bei ihm bestand weniger die Gefahr, daß er auf immer und ewig
    mein einziger Liebhaber bleiben wollte und somit zu einem lästigen Ärgernis werden würde. Ich hätte Widamer jedoch ausführlicher befragen sollen, um hinsichtlich seiner Identität und seines Empfehlungsschreibens besser unterrichtet zu sein. Ich hätte dies auch getan, wäre ich nicht von Anfang an so von ihm eingenommen gewesen. Das lag daran, daß
    Widamer fast das Ebenbild des jungen und anonymen
    Theoderich war, den ich damals in Pannonia kennengelernt hatte und mit dem zusammen ich unterwegs gewesen war.
    Widamer hatte ganz ähnliche Gesichtszüge, beinahe
    denselben Teint und dieselbe männliche Statur, sah fast genauso gut aus und strahlte zudem die gleiche verwegene Sorglosigkeit aus. Daher nahm ich ihn, entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, noch am selben Tag mit zu mir nach Hause und gewährte ihm bedeutend umfangreichere
    Varianten der Wonne, als ich es für gewöhnlich beim ersten Zubettgehen mit einem neuen Liebhaber zu tun pflegte.
    Nun, genaugenommen genoß ich das ganze auch viel
    mehr als das sonst bei einem ersten Beischlaf der Fall war.
    Ich beschloß, ihn für die bemerkenswerte Erfahrung zu
    belohnen, und nahm eine andere Position im Bett ein, um ihn mit noch intimeren Aufmerksamkeiten zu beglücken. Als ich mich jedoch zu seinem Penis hinunterbeugte und sah, daß dieser eine unnatürliche, auffallend braune Färbung aufwies, zuckte ich zurück und rief aus:
    »Liufs Guth! Seid Ihr krank?«
    »Ne, ne«, sagte er lachend. »Das ist nur ein Muttermal, nichts Schlimmeres. Befühlt es und seht selbst.« Ich folgte dieser Aufforderung und überzeugte mich davon, daß er die Wahrheit gesprochen hatte.
    Am Abend bat ich Widamer zu gehen, weil ich mich für
    eine andere gesellschaftliche Verpflichtung später an diesem Abend umkleiden mußte. Wir verabschiedeten uns also mit glühenden Dankesbezeugungen und überschwenglichen
    Komplimenten auf beiden Seiten und gaben der Hoffnung
    Ausdruck, daß wir beide uns irgendwann einmal wieder
    sehen würden. Ich bezweifle, daß Widamer damit rechnete, daß es jemals dazu käme, und von mir kann ich sagen, daß ich keinerlei Erwartungen diesbezüglich hegte.
    Doch kam es tatsächlich noch einmal zu einem
    Wiedersehen, und zwar noch am selben Abend. Ich war in Theoderichs Palast gebeten worden, wohin er seinen
    Marschall Thorn zu einem ausgelassenen Fest eingeladen hatte. Ich hatte nicht gewußt, daß das gesellige
    Beisammensein zu Ehren eines Gesandten namens
    Widamer einberufen worden war. Da dem jungen Mann eine beträchtliche Anzahl von Höflingen vorgestellt wurde, fiel ihm sicher nicht auf, daß er einen bestimmten unter ihnen bereits unter anderen Umständen getroffen hatte. Trotzdem fühlte ich mich verständlicherweise nicht ganz wohl, als wir uns gegenüberstanden und Theoderich leutselig bemerkte:
    »Saio Thorn, sei so gut und heiße meinen

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