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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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einst besetzt hatten.
    »Dann ist natürlich eine Barkasse das richtige Mittel, es zu finden, das stimmt schon«, sagte er. »Ihr braucht auch nicht die ganze lange Küste um dieses Meer herum zu segeln auf der Suche nach jenem Land. Ich kann es Euch sagen - die Goten lebten vor langer Zeit in einem bestimmten Gebiet dort. In dem Delta nämlich, das man die Münder der Donau nennt, wo der große Fluß in das Meer dort mündet.«
    Meinerseits nun auch etwas ungläubig, fragte ich: »Woher wißt Ihr das?«
    »Erkennt Ihr denn nicht an meiner Sprechweise, daß ich ein Gote vom Volk der Gepiden bin? Im übrigen gehört es zu unseren Aufgaben als Barkassenführer, zu wissen, wer wo auf unserem Fluß lebt. Daher wissen wir natürlich auch, wer früher an welchem Ort lebte. Nicht nur letztes Jahr, sondern auch vor vielen Jahrhunderten. Es ist uns allen wohlbekannt, daß die Goten in alten Zeiten zwischen jenen Mündern der Donau lebten. Nun gut, wenn Ihr es Euch leisten könnt, Geld zu vergeuden, werden ich und meine Besatzung Euch auf
    diesem Delta absetzen.«
    Ich engagierte ihn auf der Stelle, wies ihn an, am nächsten Morgen bereit zur Abreise zu sein, und gab ihm einen Teil des Geldes im voraus, wobei ich ihm befahl, die Barkasse großzügig mit Vorräten auszustatten, an Futter für zwei Pferde zu denken und, wie mir nachträglich als glückliche Eingebung noch einfiel, eine Auswahl guter Weine aus
    Durostorum für zwei Fahrgäste zu besorgen. Dann ging ich zum Gasthaus zurück, um Swanilda bei einem genüßlichen, ausgiebigen Bad Gesellschaft zu leisten, das wir
    wahrscheinlich bis zu unserer Rückkehr in die Zivilisation zum letzten Mal in so eleganten Thermen genießen konnten.
    Am nächsten Morgen stieß unsere Barkasse vom Ufer ab,
    sobald ein paar Männer von der Besatzung unsere Pferde an Bord geführt und sie mittschiffs sicher festgebunden hatten. Ich war Swanilda dabei behilflich, unsere
    Habseligkeiten zu verstauen und unsere Schlaffelle auf dem mit einem Vordach überspannten Heck auszubreiten, als der alte Besitzer mir von seinem Platz am Steuerruder aus
    zurief: »Könnte es sein, daß der Reiter dort drüben nach Euch Ausschau hält?«
    Ich richtete mich auf und sah am Hafen, den wir gerade hinter uns gelassen hatten, ein Pferd mit Reiter. Der Mann saß aufrecht im Sattel und beschattete seine Augen, um hinter uns herzuspähen, doch grüßte er nicht und
    gestikulierte auch nicht aufgeregt. Ich konnte nur erkennen, daß er von schmächtiger Statur war - von unserer Position inmitten des Flusses konnte ich über die Entfernung hinweg seine Gesichtszüge nicht sehen - doch kam er mir irgendwie bekannt vor.
    »Vielleicht ein Diener des Gasthauses«, sagte ich zu
    Swanilda. »Haben wir etwas dort vergessen?«
    Sie warf einen prüfenden Blick auf unser Gepäck und
    sagte: »Jedenfalls nichts von Bedeutung.«
    Ich gab also dem alten Steuermann ein Zeichen, die Fahrt fortzusetzen und nicht umzukehren. Und sobald wir eine Biegung des Flusses umrundet hatten, war die Person am Hafen außer Sichtweite und in Vergessenheit geraten.
    Unsere gesamte Reise flußabwärts wirkte auf mich wie die Fortsetzung des trägen Lebens, das ich so lange in Novae geführt hatte. Die Donau floß in viel rascherem Tempo
    dahin, als wir zu Pferd hätten bewältigen können, doch drohten hier keine Stromschnellen oder Wasserfälle. Ich mußte nicht arbeiten, brauchte mich nicht mit den widrigen Umständen, die das Reisen über Land mit sich brachte,
    herumplagen und mußte mir nicht einmal Gedanken über die Nahrungsbeschaffung machen. Gelegentlich angelte ich
    zwar, um unsere Mahlzeiten mit frischem Fisch zu
    bereichern und übernahm auch um der Erfahrung willen ein-oder zweimal das Steuerruder. Swanilda erledigte hilfsbereit einige Näh- und Ausbesserungsarbeiten an der Kleidung der Männer, schnitt ihnen, wenn nötig, die Haare und stutzte ihre Barte. Doch lebten wir beide hauptsächlich ziellos in den Tag hinein, sonnten uns in dem warmen Sommerwetter und bewunderten die vorübergleitende Landschaft und die
    anderen Schiffe auf dem Wasser. Nachts genossen wir dann andere Freuden. Der einzige Versuch, den ich unternahm, in meine Suche fortzusetzen, bestand darin, den alten
    Barkassenbesitzer zu fragen, ob er wisse, wie seine Linie des gotischen Volkes zu dem Namen ›Gepiden‹ gekommen
    sei.
    Er wußte es nicht; er konnte dazu nur sagen: »Was meint Ihr damit? Das ist nun einmal unser Name. Ebensogut
    könntet Ihr fragen, warum

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