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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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wirkte das massige Zweimaster-Hochseeschiff mit seinem
    stumpfen runden Bug wie ein wandernder Berg, der die
    ebene Landschaft entlangkroch, um vorsichtig die
    Windungen des Kanals auszukundschaften. Die kleinen
    Fischerboote und anderen kleinen Seefahrzeuge, die auch auf dem Fluß unterwegs waren, wirkten im Vergleich dazu winzig klein, und es sah aus, als schwebe es praktisch hoch über der Stadt, der es sich näherte. Das alles zusammen ergab ein so widersinniges Bild, daß es wie ein Traum
    erschien.
    Als unsere Barkasse schließlich die Stadt erreichte, hatte das große Handelsschiff bereits in einiger Entfernung von der Küste angelegt, und kleine Ruderboote fuhren geschäftig Waren zwischen Schiff und Ufer hin und her. Die Männer unserer Besatzung manövrierten uns geschickt ins Dock, und ich half ihnen, die beiden Pferde unter gutem Zureden von der Barkasse an Land zu führen. Dann trat ich auf die von Menschen wimmelnde Straße, die am Hafen
    entlangführte, um mich ein wenig umzuschauen. Die
    meisten Leute waren dunkelhaarig und dunkelhäutig:
    Chasaren und die Taurier, von denen ich glaube, daß sie die rassischen Vettern der Chasaren sind. Doch man sah auch einige hellhaarige und hellhäutige Personen von
    offensichtlich germanischer Abstammung. Wie nicht anders zu erwarten bei einer Hafenstadt, die so nah an einem Meer lag, waren auch noch andere Menschen von praktisch jeder Nationalität auf der Welt vertreten: Römer, Griechen, Syrer, Juden, Slowenen, Armenier, sogar hier und da ein
    schwarzer Nubier oder Äthiopier. Und ebenso viele
    verschiedene Sprachen wurden auch gesprochen. Am
    meisten (und am lautesten) gesprochen wurde jedoch eine Art Seefahrer Jargon, die Sprache der am Hafen Handel
    treibenden Seeleute, ein buntes Gemisch von Wörtern all jener anderen Sprachen. Sie wurde offenbar von allen am besten beherrscht und verstanden.
    Unter den Schiffen, die in der Nähe unserer Barkasse vor Anker lagen, befand sich ein Kriegsschiff der moesischen Flotte, daher sprach ich dessen Kapitän an - der natürlich des Lateinischen mächtig war - und fragte ihn, ob er mir ein bestimmtes Quartier oder Gasthaus in der Stadt empfehlen könne. Während Swanilda und die Männer von der Barkasse die Pferde sattelten und beluden, entlohnte ich den
    Barkassenbesitzer, dankte ihm für die angenehme Reise
    und verabschiedete mich von ihm, wonach er sich in den Hafenanlagen nach einer möglichen Fracht umsah, die er wieder flußaufwärts mit zurücknehmen könnte. Dann führte ich Swanilda und unsere Pferde zu dem empfohlenen
    Quartier. Es trug die Bezeichnung ›Pandokheion‹, da es von Griechen geführt wurde, doch war es durchaus nicht
    besonders luxuriös und auch nicht übermäßig sauber. Da mir der Kapitän jedoch gesagt hatte, es sei das beste in Noviodunum, mietete ich einen Raum für Swanilda und mich und Stallplätze für die Pferde.
    Das Gasthaus besaß natürlich keine Thermen, deshalb
    wies Swanilda die Dienstboten an, warmes Wasser für die Becken in unserem Zimmer zu holen, und bereitete sich auf ein Bad vor. In der Zwischenzeit fragte ich den Besitzer, ob die Stadt einen Präfekten habe - oder einen Herrscher, Stadtältesten oder wie immer auch sein ehrenvoller Titel lauten möge -, dem ich als Marschall des Königs einen
    Höflichkeitsbesuch abstatten könnte. Der Grieche mußte lange über die Frage nachgrübeln, bevor er sagte: »Es gibt keinen offiziell anerkannten Herrn über die Stadt. Doch Ihr könntet Meiros, den Schlamm-Mann, aufsuchen.«
    »Seltsamer Titel«, murmelte ich.
    »Er ist wahrscheinlich der älteste Einwohner der Stadt, mit Sicherheit einer der ersten Händler, da er hier in
    Noviodunum als ranghöchste Persönlichkeit anerkannt ist.
    Ihr werdet ihn in seinem Lagerhaus in der Nähe des Docks, von dem Ihr gerade kamt, antreffen.«
    Das Lagerhaus unterschied sich in keiner Weise von
    denen, die ich früher schon besichtigt hatte, abgesehen von dem widerlichen Gestank, in seinem dunklen, dumpfen
    Inneren. Ich stand in dem Eingang, der auf die Straße führte, spähte umher und versuchte, bei den schlechten
    Lichtverhältnissen die Quelle des Gestanks auszumachen.
    Dann tauchte ein Mann aus dem Halbdunkel auf und sagte
    »Willkommen, Fremder« in sechs oder acht verschiedenen Sprachen, von denen ich ein paar verstand. Er war alt, ungeheuer alt, und ich hielt ihn für einen Chasaren, da er olivenfarbige Haut, eine gekrümmte Nase und einen
    buschigen, gelockten Bart hatte der so

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