Der Greif
herlaufen mußte.
Einen Teil des Vormittags war Made ungewöhnlich
schweigsam - wahrscheinlich konzentrierte er sich darauf, die Pfade zu finden, die Fillein ihm beschrieben hatte. Nach einiger Zeit begann er jedoch zögernd zu sprechen und kurz darauf entpuppte er sich als der typische redegewandte Armenier. Ich war ihm eigentlich ganz dankbar für sein Geplapper. In dem endlosen Weideland, das wir
durchquerten, mit dem weiten blauen Himmel über uns, der mit kleinen weißen Wölkchen übersät war, gab es nichts Interessantes zu sehen oder zu hören - oder selbst zu
überlegen, außer wieviel Weideland und Himmel uns umgab
-, deshalb war Mades Geschwätzigkeit eine willkommene
Ablenkung von der Langeweile.
Er redete hauptsächlich über die großartigen Erfolge
seines Herrn und Meisters Meirus, die offenbar dessen
Weitsicht und hellseherischen Fähigkeiten zu verdanken waren. Jeder dieser Erfolge hatte, laut Made, zu einem enorm erhöhten Umsatz des Schlamm-Unternehmens von
Meirus geführt, doch keiner hatte, wollte man Made glauben, auch nur eine einzige zusätzliche Münze in Mades Taschen oder die der anderen Arbeiter von Meirus fließen lassen. Aus diesem Grund, sagte Made, sei er äußerst erpicht darauf, seine Talente für Dinge einzusetzen, die für ihn persönlich von größerem Vorteil wären. Wenn er schon wie er sagte, erwiesenermaßen eine Nase habe, die es ihm ermöglichte, Schlammsorten allererster Güte zu erschnüffeln, glaube er, daß es ihm auch gelingen könnte, noch viel wertvollere Substanzen über oder unter der Erde mit dieser seiner Nase zu entdecken. Nach diesem Monolog warf er mir einen
Seitenblick zu und fuhr fort: »Mein Fräuja, Meirus, sagte, Ihr wolltet die alte Fährte der Goten die ganze Strecke von hier bis zu den fernen Gestaden des wendischen Golfs zurück verfolgen.«
»Ja.«
»Trägt die Küste dieses Golfs nicht den Namen
Bernsteinküste?«
»Richtig.«
»Und findet man dort nicht Bernstein in großen Mengen?«
»Das stimmt.«
»Werdet Ihr und Frau Swanilda während Eures
Aufenthalts dort selbst nach Bernstein suchen?«
»Suchen werden wir nicht danach, nein. Ich habe anderes zu tun. Doch wenn ich zufällig darüber stolpern sollte, werde ich sicher nicht achtlos daran vorübergehen.«
An diesem Punkt ließ Made das Thema Bernstein fallen
und begann über Belanglosigkeiten zu sprechen.
Klugerweise ließ er mich jetzt allein darüber nachdenken, ob es nicht nützlich sein würde, eine Person in den Norden mitzunehmen, die sozusagen stets die Nase am Boden
hatte. Nun, er hatte es auch nicht nötig, mehr zu sagen; da er Armenier war, war die betreffende Nase ständig und
unübersehbar ins Blickfeld gerückt. Schließlich spielte er jedoch nochmals auf seine Talente an, und zwar, als wir uns einer Behausung näherten, die so schäbig war, daß sie die Bezeichnung Hütte nicht verdiente.
»Ihr seht, Fräuja, wie gut ich Dinge aufspüren kann? Das hier muß der Ort sein, zu dem mir der alte Fillein den Weg beschrieb, die Wohnstätte des alten Galindo.«
Wenn sie es wirklich war, dann saß der alte Galindo davor, denn man sah ihn schon lange bevor wir dort ankamen, weil er entweder fast so groß wie sein Haus oder das Haus nicht viel größer als Galindo war. In der Tat war die »Behausung«
nur eine unschön geformte Kuppel aus in der Sonne
getrocknetem Schlamm, die nicht bewohnbarer wirkte als eine der Schlammblasen, die zuweilen aus einem
Sumpfgebiet aufsteigen. Doch sein Besitzer hatte ihn so eindrucksvoll vor Eindringlingen abgeschirmt, als handele es sich dabei um eine Festung. In Anbetracht des unwegsamen Pfades konnte er nicht allzuoft von Reitern belästigt werden
Made und ich hatten den ganzen Morgen keinen einzigen zu Gesicht bekommen -, und doch hatte er, fast zwölfhundert Fuß von seiner Tür entfernt, einen Graben quer über diesen Pfad ausgehoben, der breit und tief genug war, um einen Kavallerieangriff aufzuhalten.
Der Boden in der Umgebung des Grabens war ziemlich
hart, so daß wir das Hindernis wahrscheinlich hätten
umgehen können. Doch ich entschloß mich, es zu
respektieren, zumindest insoweit, als ich absaß und Made die Zügel der Pferde überließ, während ich zu Fuß durch den Graben kletterte und dann zu dem Mann ging, der noch immer in stoischer Ruhe dasaß. Ich winkte ihm
liebenswürdig zu. Er reagierte jedoch nicht darauf, und erst als ich unmittelbar vor ihm stand, gab er ein Lebenszeichen von sich. Ohne mich auch
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