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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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später dann als Ost- und Westgoten bezeichneten,
    nannten wir uns weiterhin stolz die Berggoten. Gepide ist lediglich die moderne Kurzform von ›gabairgs‹, geboren in den Bergen. Ihr könnt das glauben oder nicht, ganz wie es Euch beliebt.«
    »Ich glaube es Euch«, sagte ich, angenehm überrascht
    von dieser neuen Geschichte. »Was Ihr erzählt habt, klingt viel wahrscheinlicher als die allgemein anerkannte Version.«
    »Ich gebe Euch den guten Rat, junger Historiker, meßt
    einem Namen nicht zuviel Bedeutung bei. Wie vielen
    Placidias, Irenes und Virginias seid Ihr schon begegnet, die alles andere als sanft, friedlich oder jungfräulich waren? Ein Name kann eine halbherzige, wankelmütige, ja sogar
    trügerische Angelegenheit sein.«
    »Wie wahr«, stimmte ich zu, erwähnte aber nicht, daß ich selbst manchmal bewußt, ja sogar in betrügerischer Absicht meinen Namen änderte.
    »Da wir gerade von Namen sprechen - ich erinnere mich
    an eine Sache aus meiner Zeit bei der Claudia Pia.« Galindo starrte über das endlose Gras; sein altes Gesicht nahm einen nachdenklichen Ausdruck an, als ob er statt des
    Grases die Katalaunischen Felder aus der Zeit vor fast vierzig Jahren vor sich sähe. »Wir pflegten viele Kriegslieder zu singen, und es waren beileibe nicht alles römische Lieder, denn wir Legionäre stammten von vielen verschiedenen
    Völkern ab - es waren darunter auch Männer von den
    Zinninseln, wie Ihr wißt -, doch was für ein Lied wir auch wählten, stets sangen wir es in der Umgangssprache der Legion, lateinisch. Nun hatten jene Brythonen zwar auch ihre eigenen Lieder, doch sangen sie auch gemeinsam mit uns Goten unsere Lieder aus der alten Zeit. Und ich erinnere mich, daß wir jenes alte Lied sangen über das Leben und die Taten des großen westgotischen Helden Alareichs. Auf römischlateinisch würde der Name korrekt Alaricus lauten, doch jene Zinn-Insulaner sangen ihn in ihrem verfälschten brythonischen Latein als Arthurus.« Der alte Galindo kehrte unvermittelt in die Gegenwart zurück und fuhr mich an:
    »Zum Teufel mit Euch, Marschall! Ich bekomme wegen Euch schon wieder keine Sonne mehr ab!«
    »Das liegt nicht an mir. Es ist nur schon wieder einer jener verwünschten plötzlichen Stürme Eures Deltas.« In
    Windeseile hatten die kleinen Wölkchen an Umfang
    zugenommen und sich zu einer dichten Decke
    zusammengeballt, die nun langsam schwarz wurde.
    »Ah, ja«, sagte Galindo, beinahe anerkennend. »Thor liebt es, seine Hammer hier in dieser Gegend zu schwingen.«
    »Ihr glaubt also an Thor?« fragte ich mit einem inzwischen zur Gewohnheit gewordenen gereizten Unterton beim Klang dieses Namens. »Seid Ihr denn ein Anhänger der Alten
    Religion?«
    »Wenn ich irgend etwas bin, dann ein Mithraist, da ich einst römischer Legionär war. Doch schadet es nicht, finde ich, auch die Existenz anderer Götter anzuerkennen. Und wenn Thor nicht der Gott des Donners ist, wer dann?«
    Als habe Galindo ihn heraufbeschworen, zuckte ein Blitz über den östlichen Horizont. Die Luft vibrierte während des anschließenden Donnergrollens und die ersten
    Regentropfen begannen zu fallen- Ich stieß einen Fluch aus.
    Der alte Mann warf mir einen Blick zu. »Fürchtet Ihr den Zorn Thors?«
    »Weder seinen noch den irgendeines anderen«, fuhr ich
    ihn an. »Ich mag lediglich kein Unwetter, das mir ungelegen kommt.«
    »Mir kommen Unwetter nie ungelegen.« Zu meinem
    Erstaunen zog er seinen Wolfspelz und danach die wenigen Fetzen Kleidung, die er darunter trug, aus. »Der Regen erspart mir den mühseligen langen Fußmarsch zu einem
    Fluß, um dort ein Bad zu nehmen. Wollt Ihr es mir nicht gleichtun, Marschall?«
    »Ne, thags izvis.« Ich wandte den Blick von seinem
    mageren, behaarten alten Körper ab, der jetzt nackt dem herunterprasselnden Regen preisgegeben war. Made und
    die Pferde konnte ich an dem Graben, wo ich sie
    zurückgelassen hatte, nicht mehr sehen. Ich konnte nur hoffen, daß die Tiere sicher waren - und natürlich auch Made, da die Pferde sich vielleicht von ihm losgerissen hatten und durchgegangen waren. Unterdessen strömte der Regen auf uns beide herunter, die wir da saßen, ich höchst unbehaglich, der nackte Galindo mit sichtlichem
    Wohlbehagen, und ich lauschte der Fortsetzung seines
    Berichts über die Geschichte seines Volkes.
    Anschließend bat mich Galindo, ein Feuer zu machen und während ich damit beschäftigt war, sagte ich: »Ich habe nun viel Interessantes über die verschiedenen

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