Der Greif
sie sich
schworen, fortan ohne Männer zurechtzukommen. Falls
diese Legende stimmte und es sich bei diesen Amazonen
tatsächlich um die Nachfahren dieser Vertriebenen handelte, so erklärte das trotzdem nicht, warum diese Frauen, die den Männern und ihrer eigenen weiblichen Sexualität
abgeschworen hatten, über keinerlei weibliche Instinkte und Attribute mehr verfügten.
Nicht genug, daß es ihnen offensichtlich gefiel, so fett und häßlich zu sein; sie schienen sich zudem auch bewußt einen äußerst unangenehmen Tonfall angewöhnt zu haben. Ich
hatte schon viele Männer mit eisenharter Stimme sprechen hören; aber die Stimmen der meisten Frauen, die ich bisher kennengelernt hatte, hatten so lieblich geklungen wie Silber.
Die Laute, die die alten wie auch die jungen Waliskarja von sich gaben, waren jedoch so rauh und schroff, daß sie eher an Bronze erinnerten. Auch die Faulheit und Schlampigkeit dieser Frauen war äußerst unweiblich. Jede normale Frau wäre über den Schmutz, in dem sie lebten, entsetzt
gewesen. Obwohl der Stamm direkt neben einem klaren
Fluß lebte, starrten ihre Kinder vor Dreck und weil sie nie die weiblichen Künste des Spinnens, Webens und Nähens
erlernt hatten, waren alle nur mit Fellen bekleidet...
Als sie mich jetzt zum gemeinsamen Abendessen riefen,
stellte ich fest, daß sie nicht einmal kochen konnten. Man teilte mir eine Portion undefinierbarer tierischer Eingeweide zu, die nicht gargekocht, sondern lediglich leicht erwärmt worden waren. Dazu erhielt ich ein ebenso undefinierbares Gemisch aus grünen Blättern. Die Mahlzeit wurde auf ein Platanenblatt geschöpft, da die Frauen über keinerlei
Eßgeschirr verfügten. Sie wußten auch nicht, wie man Brot buk. Ich murmelte vor mich hin, daß ja selbst ich da noch besser kochen könne. Ghashang schnappte meine
Bemerkung auf und sagte, daß ich schon noch an die Reihe kommen würde, denn sie kochten abwechselnd, da keine
von ihnen diese Arbeit besonders gern verrichte.
Nach dem Essen frönten die Frauen dem einzigen Luxus,
über den sie verfügten. Das nun folgende Vergnügen war mir nicht neu. Sie streuten getrocknete Hanfblätter in die Glut der Kochfeuer und hängten dann Felle über die
primitiven Feuerstellen. Anschließend steckten sowohl die Frauen wie auch die Kinder abwechselnd ihre Köpfe unter diese Felldächer, um den Rauch tief einzuatmen. Einige der Frauen hielten sogar ihre Kleinkinder in den Rauch, um auch sie an diesem Genuß teilhaben zu lassen. Im Hanfrausch legten die Frauen dann recht unterschiedliche
Verhaltensweisen an den Tag, die jedoch alle jeglicher Würde entbehrten. Einige torkelten im Dunkeln herum, als sei ihnen schwindlig, andere tanzten schwerfällig umher, wieder andere gaben mit ihren eigentümlichen, rasselnden Stimmen in den höchsten Tönen völlig zusammenhangloses Geschwätz von sich. Ein paar der Frauen fielen einfach um und begannen sogleich zu schnarchen. Das Verhalten der berauschten Waliskarja bewog mich keineswegs dazu,
meine schlechte Meinung über sie zu ändern. Nur wenige von uns verzichteten aus verschiedenen Gründen auf den Hanfgenuß: ich, weil mir nichts daran lag, mich zu betäuben; vier oder fünf weitere Frauen, weil sie in dieser Nacht auf den Wipfeln in der Nähe stehender Bäume Wache halten
mußten, und Morgh, weil Mutter Liebe ihr befohlen hatte, später noch für mich zu singen.
Kurze Zeit später erfüllte Morgh diesen Auftrag. In
ohrenbetäubend falschen und schrillen Tönen trug sie mir die lange Geschichte ihres Stammes vor, die trotz der völlig unmusikalischen Darbietung recht aufschlußreich war. Sie erzählte, wie ein paar keusche gotische Frauen vor den Zudringlichkeiten ihrer männlichen Stammesgenossen in die Wildnis geflohen seien, um dort ein freies,
selbstgenügsames Leben ohne Männer zu führen.
Unterwegs seien sie durch eine prächtige skythische Stadt gekommen. Die Frauen dort hätten sie schwesterlich
aufgenommen, sie bewirtet, neu eingekleidet und verwöhnt.
Von den Skythen hätten sie unter anderem den Genuß des Hanfkrauts sowie zwei weibliche Gottheiten übernommen.
Ihre skythischen Schwestern hätten sie gar nicht wieder gehen lassen wollen, und einige von ihnen hätten sich dann der Gruppe angeschlossen, als diese schließlich reich
beschenkt weiterzog. In der Wildnis hätten sie dann
gemeinsam diesen Frauenstamm gegründet, der sich nur
zum Zwecke der Fortpflanzung gelegentlich eines Mannes bediene. Während Morgh
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