Der Greif
Sarmatische Meer
gerade zufriert? Ni.«
»Mein König wird dafür sorgen, daß du und deine
Schiffsbesatzung für die Gefahren, die mit dieser Reise verbunden sein mögen, angemessen entschädigt werdet.
Und er bezahlt nicht mit wertlosen alten Münzen.«
»Gefährlich ist diese Reise nicht«, sagte der Seemann
ungeduldig. »Sie ist nur äußerst beschwerlich und völlig sinnlos. Nur ein Narr würde mitten im bitteren Winter das vereiste Sarmatische Meer durchqueren. Ni, ni. Auch mit Geld könnt Ihr mich nicht dazu bringen, Euch zu der Insel zu fahren.«
»Wir können es dir aber befehlen«, sagte Frido in einem respekteinflößenden Ton, der sowohl mich wie auch den
Seemann überraschte. »Ich, dein Kronprinz, habe ebenfalls den Wunsch, zu dieser Insel zu reisen. Und du wirst uns hinbringen.«
Der Seemann schalt, polterte und redete auf uns ein, um uns von unserem Vorhaben abzubringen, denn er konnte
sich einem königlichen Befehl natürlich nicht einfach
widersetzen. Unnachgiebig wies der Prinz ihn an, das Schiff bis zu unserer Rückkehr reisefertig zu machen. Dann gingen Frido und ich zum Palast zurück. Unterwegs sagte ich zu ihm: »Thags izvis, Frido, daß du dich als Prinz für mich eingesetzt hast; aber du weißt ja, daß deine Mutter dir eine solche Reise niemals erlauben würde.«
Er warf mir einen verschlagenen Blick zu und sagte: »Wir werden sehen.«
Königin Giso benutzte das Gotische, den germanischen
Dialekt der Rugier sowie den slowenischen Dialekt der
Kaschuben, also alle Sprachen, die sie beherrschte, um Fridos Ansinnen abzulehnen: »Ne! Ni! Nye! Du mußt
verrückt sein, mich überhaupt zu fragen, ob du eine
Seereise antreten darfst.«
»Der Besitzer des Schiffes hat uns versichert, daß diese Reise völlig ungefährlich ist, Majestät. Wir müssen uns lediglich gegen die Kälte schützen.«
»Die Kälte ist gefährlich genug. Der einzige Erbe des
Königreichs darf sich nicht der Gefahr aussetzen, krank zu werden.«
»Wenn der Junge gut in Felle verpackt ist -«
»Schweigt, Marschall!« sagte sie barsch. »Als seine
Mutter konnte ich es bereits kaum verantworten, daß Ihr ihn tagelang durch die Gegend geschleift habt. Ständig hielt er sich in der ungesunden frischen Luft auf. Damit ist jetzt ein für alle Mal Schluß.«
Ich bekniete sie eindringlich: »Schaut Euch den Burschen doch einmal an, Majestät! Er sieht inzwischen gesünder und kräftiger aus als bei meiner Ankunft.«
»Ich hatte Euch doch gebeten zu schweigen!«
Ich konnte ihr den Gehorsam nicht offen verweigern, Frido sagte jedoch: »Mutter, ich habe dem Seemann bereits
gesagt, daß ich nach Gotland fahren würde. Ich habe ihm sogar befohlen, uns hinzubringen. Soll ich etwa mein
königliches Wort brechen? Schließlich habe ich als Prinz eine Entscheidung getroffen und einen Befehl gegeben.«
Sie war ganz blaß geworden. Jetzt begriff ich, warum Frido so verschlagen dreingeschaut hatte: Er hatte bewußt die einzige Taktik angewendet, die bei einer Frau wie Königin Giso Erfolg versprach. Sie hatte so lange darauf bestanden, daß er auf seine »Stellung« pochte und von allen anderen den ihm gebührenden Respekt forderte, daß sie jetzt nicht zulassen konnte, daß er von seiner Position abrückte. Wenn sie als Mutter des rugischen Kronprinzen ihren Sohn
gebeten hätte, sein Wort zurückzunehmen, dann hätte diese Bitte sie als rugische Königin zutiefst in ihrem übersteigerten Stolz verletzt. Frido setzte seinen Willen schließlich durch; es war jedoch kein leicht errungener Sieg, denn die Königin tobte, fuchtelte wie wild mit den Armen herum, und rang sich erst nach wahren Höllenqualen zu dieser Entscheidung
durch; sie weinte sogar ein bißchen. Am Ende siegte jedoch ihr königlicher Eigendünkel über ihre mütterliche Besorgtheit.
»Daran seid nur Ihr allein schuld!« fauchte sie mich an, als sie schließlich nachgegeben hatte. »Bevor Ihr kamt, war Frido ein fügsames und belehrbares Kind. Du hast seine Achtung vor seiner Mutter untergraben. Aber ich verspreche Euch, daß dies der letzte Ausflug sein wird, den er mit Euch zusammen macht.«
Sie brüllte ihre Diener herbei und keifte ihnen Befehle entgegen. In Windeseile mußten sie alles zusammenpacken, was der Prinz unter Umständen auf seiner Reise benötigen könnte. Dann zeigte sie mir erneut ihre hervorstehenden Zähne. Ich hatte erwartet daß sie mir nun befehlen würde, unterwegs gut auf den Jungen aufzupassen, stattdessen
sagte sie: »Vier
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