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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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wirklicher Rivale, Theoderich.
    Er war das einzige Ärgernis, das Kaiser Zeno wirklich ein Dorn im Auge war. Ihr habt Strabo jetzt zwar ein für alle Mal ausgeschaltet, aber dieser Sieg hat keinem von euch neues Land beschert und euch auch sonst keine Beute
    eingebracht, die sich teilen ließe. Sicherlich wird es auch in Zukunft immer wieder kleine Emporkömmlinge geben, die es zu bekämpfen gilt, aber solche Siege bringen keinen
    Gewinn. Nur wenn Ihr einen reichen König oder eine
    wohlhabende Nation zum Feind hättet, bestünde Aussicht auf einen lohnenden Krieg; da es einen solchen Gegner
    jedoch nicht gibt, verstehe ich nicht -«
    Theoderich fiel mir ins Wort: »Du vergißt diese eine große Sorge, die Zeno nun schon seit einigen Jahren hartnäckig bedrängt. Ich rechne damit, daß er mich schließlich bitten wird, ihm bei der Beseitigung dieses Übels behilflich zu sein.«
    Soas und ich, seine beiden Marschalle, schauten einander fragend an, und Theoderich grinste, als wir schlagartig begriffen, wen er meinte.
    Ich flüsterte den Namen: »Audawakrs!« und Soas sagte:
    »König Odoaker!«
    Das klangvolle Wort, das uns dann beiden gleichzeitig
    voller Ehrfurcht über die Lippen kam, war: »Rom!«
    Die Eroberung
    1
    Wie das Sprichwort sagt, führen alle Wege nach Rom,
    doch es war ein weiter Weg für uns bis zur Erreichung
    dieses Ziels.
    Theoderich mußte zuerst nach Konstantinopel, und Soas
    und ich, seine Generäle Pitzias und Herduich sowie ein beträchtliches Gefolge seiner besten Dienstmannen
    begleiteten ihn, denn ihm sollten in dieser Stadt Ehren zuteil werden, die noch nie ein Barbar von einem römischen
    Kaiser erfahren hatte. Kaiser Zeno, der von dem unblutigen Sieg über Strabo benachrichtigt worden war, bestand darauf, daß Theoderich in die Hauptstadt käme, um dreifach gefeiert zu werden: mit einem Triumphzug, mit dem Titel Flavius und mit dem Konsulat des Jahres.
    Schon so manchem römischen General war die Ehre jener
    würdevollen öffentlichen Zeremonie verliehen worden, die man Triumph nennt, und zahlreiche römische Bürger - selbst einige Nichtbürger - hatten schon den Titel gentilicus flavius erhalten, und jedes Jahr war zumindest einem angesehenen Römer die Konsulwürde zuerkannt worden (wobei sich nicht wenige fast ruinierten, indem sie sich diese Ehre erkauften), doch Theoderich war der erste und einzige Gote, dem alle drei Ehrungen verliehen wurden, noch dazu alle auf einmal.
    Später behaupteten böse Zungen, daß Zeno Theoderich
    damit bestochen habe, und nicht vergeblich, doch ich
    beurteilte das Ganze eher als Werbung. Seit der Kaiser Theoderich als König der Ostgoten anerkannt und ihn zum obersten Heerführer der donauländischen Truppen ernannt hatte, war Theoderich Zeno treu ergeben und achtete und respektierte ihn vollkommen. Allerdings hatte er sich stets seine Unabhängigkeit bewahrt, beispielsweise indem er das Angebot Zenos nicht annahm, Strabos Aufstand mit Hilfe kaiserlicher Truppen niederzuschlagen. Nun, so schien es mir, wollte Zeno mehr als Eintracht zwischen Herrscher und Untergebenem. Jetzt suchte er die Freundschaft eines ihm Gleichgestellten.
    Mir wurde die Ehre zuteil, an der Seite von Flavius Amalus Theodoricus und gefolgt von dessen prächtig ausgestatteten Reitern wieder über die Via Egnatia und durch das Goldene Tor von Konstantinopel zu reiten. Unter den dreifachen Torbögen erwartete uns eine Gesandtschaft von Senatoren, Magistraten und geistlichen Würdenträgern des östlichen Imperiums. Theoderich stieg von seinem Pferd und nahm
    von Akakios, dem bischöflichen Patriarchen der Stadt, den Lorbeerkranz entgegen. Er wurde als »Christianorum
    Nobilissime et Nobilium Christianissime« begrüßt - als der vornehmste der Christen und christlichste der Vornehmen.
    Die Senatoren hüllten ihn in die gold- und purpurverbrämte Toga picta, reichten ihm ein Szepter, nannten ihn
    »Patricius« und hießen ihn in sein Amt als Consul Ordinarius dieses römischen Jahres 1237 ab urbe condita,
    beziehungsweise des Jahres 484 nach christlicher
    Zeitrechnung, willkommen. Dann bestieg Theoderich den
    runden Triumphwagen, der nur für diesen Zweck verwendet wird, und zügelte dessen Zweigespann, so daß die
    Würdenträger ihm als Ehrengarde vorausmarschieren
    konnten.
    Wir Ostgoten trugen die altvertrauten Harnische und den Schmuck, doch es war das erste Mal, daß ich römische
    Legionäre aufmarschieren sah. Sie waren wahrhaft
    aufgeputzt in Prunkanzügen aus gefärbtem

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