Der Greif
ausgesucht
hatte, nicht gerade begeistert zu sein.
»Stammesbrüder!« brüllte Strabo. »Hört alle her! Ich bitte euch, ich rate euch, ich fordere euch auf: Schließt Euch mir an und schüttelt das römische Joch ab! Setzt der falschen Königsherrschaft unseres verräterischen Vetters ein Ende!«
Theoderich saß weiterhin geduldig auf seinem Pferd und ignorierte die Haßtiraden, die der Kopf, der da zwischen den Vorhängen hervorschaute, von sich gab. Strabo merkte, daß seine flammende Hetzrede seine Stammesbrüder auf
unserer Seite des Flusses wenig beeindruckte. Mit vom
vielen Schreien überanstrengter und geschwächter Stimme fuhr der Schweinemann dennoch fort: »Ostgotische Brüder!
Rugische Kampfgenossen! Freunde und Verbündete! Folgt
mir in die Schlacht und -« Hier unterbrach ihn Theoderich und rief mit so lauter Stimme, daß alle ihn hören konnten:
»Slavaith, nithjis! Schweig, Vetter! Nun habe ich das Wort!«
Er wandte sich jedoch nicht an Strabo oder an die
wartenden Armeen, sondern sagte zu dem Reiter, der neben der Sänfte hergeritten war: »Fewa, habt Ihr scharfe Augen?«
Überrascht rutschte der rugische König ein wenig in seinem Sattel hin und her und nickte dann mit seinem behelmten Kopf. »Dann schaut dort hinüber!« befahl Theoderich und deutete mit erhobenem Arm in unsere Richtung. »Setz dich aufrecht in den Sattel, Frido«, wies ich den Prinzen an, als sein Vater den Kopf herumdrehte und zu uns hinüberblickte.
Der Junge tat sogar noch ein weiteres: mit Hilfe des
Fußseils, das er sich unter meiner Anleitung konstruiert hatte, stützte er sich so weit hoch, daß er buchstäblich im Sattel stand. Aufrecht und für alle sichtbar winkte er nun fröhlich mit der Hand und rief mit seiner piepsigen
Kinderstimme so laut er nur konnte: »Hails, Fadar!«
König Fewas Pferd wich einen Schritt zurück, als sei es ebenso verblüfft wie sein Reiter. Plötzlich herrschte auf der kleinen Insel helle Aufregung; die Worte, die nun in aller Eile ausgetauscht wurden, waren für uns Zuschauer nicht mehr zu verstehen. Die drei Reiter Theoderich, Soas und Fewa zeigten abwechselnd auf mich, auf Frido, auf Strabo und auf Strabos Truppen. Fewa ritt auf der kleinen Insel zwischen den beiden Parteien hin und her und versuchte, zuerst
Theoderich und Soas und dann wieder Strabo mit
vielsagenden Gesten zu überzeugen. Der Schweinemann
hätte sicher ebenfalls aufgeregt gestikuliert, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, denn die ganze Sänfte wurde von den heftigen Bewegungen seines Körpers wie wild hin- und hergeschüttelt.
Der Tumult auf der Insel war erst zu Ende, als König Fewa resigniert die Hände hochwarf, seinen Gesprächspartnern den Rücken zukehrte, seinem Pferd die Zügel gab und durch das Wasser zurückstob. Er ritt das andere Ufer hinauf, bis er die linke Flanke der Armee erreichte, die dort immer noch unerschütterlich auf das Signal zum Kampf wartete. Erneut wild mit den Händen fuchtelnd gab er offensichtlich seinen rugischen Kriegern eine Reihe von Befehlen, die ich nicht verstand. Zum Zeichen des Waffenstillstands stiegen
daraufhin viele Reiter in den vorderen Reihen vom Pferd, etliche Lanzenträger bohrten ihre Speerspitzen in den
Boden, und zahlreiche Schwertkämpfer steckten ihre
Klingen in die Scheide zurück. Die anderen Krieger in den vorderen, für uns erkennbaren Reihen waren sichtlich
bestürzt, als sie ihre rugischen Kampfgenossen die Waffen niederlegen sahen, und irrten nun völlig kopflos umher; wir sahen die Banner ihrer Fahnenträger planlos hin- und
herwedeln und vernahmen ein verschwommenes
Gemurmel, das sich anhörte, als ob die verschiedenen
Truppenteile laut und zornig miteinander stritten.
Strabo schien noch viel mehr aus der Fassung geraten zu sein als seine Truppen, denn er tobte und wütete dermaßen in seiner Sänfte herum, daß sie auf den Schultern ihrer Träger heftig hinund hergerüttelt wurde. Die vier Männer mußten einen wahren Tanz vollführen, um das
Gleichgewicht zu halten. Theoderich und Soas saßen
dagegen ruhig im Sattel und beobachteten das ganze
Geschehen in völliger Gelassenheit. Zum letzten Mal hörte ich Strabo mit heiserer Stimme grölen: »Tragt mich zurück!«
Daraufhin machten die auf wackeligen Beinen
umhertorkelnden Träger kehrt und schleppten die
schaukelnde und hüpfende Sänfte durch das Wasser zum
anderen Ufer hinüber.
Frido fragte mich plötzlich mit nachdenklicher Stimme:
»Werde ich denn gar keinen Krieg
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