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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Leder und
    trugen wehende Helmbüsche. Ihre Helme waren von
    seltsamer Form. Während der gewöhnliche Helm Schädel,
    Stirn und Wangen schützt, bedeckt der Paradehelm das
    gesamte Gesicht und hat nur zwei Gucklöcher für die Augen.
    Als wir im Forum des Konstantin ankamen, wartete Zeno
    bereits auf uns. Er begleitete Theoderich vom
    Triumphwagen hinauf auf eine Plattform, die mit Blumen geschmückt war. Die Marschierenden, die Reiter und
    Musikanten bewegten sich im Kreis um die große Säule des Forums herum, so daß die beiden Monarchen die
    Prozession sehen konnten. Jeder Trupp, der an der
    Plattform vorbeikam, rief einstimmig »lo triumphe!« und entbot entweder mit der geballten rechten Faust den
    römischen oder mit dem steif ausgestreckten rechten Arm den ostgotischen Gruß. Die Bürger der Stadt, die sich um das Forum drängten, wiederholten echogleich jeden Ruf »lo triumphe!«, bis sich Zeno und Theoderich zur Andacht in die Hagia Sophia zurückzogen.
    Als Theoderich wieder aus der Kirche herauskam, gab er den Befehl: »Wegtreten!«, der von den Offizieren
    kolonnenweise wiederholt wurde, und die Triumphreiter, die Marschierenden und Musikanten traten aus den Gliedern
    ihrer Truppen hervor. Dann kamen aus allen Küchen der
    Stadt Bedienstete mit schwerbeladenen Platten, mit
    Schüsseln und Tellern, mit bis zum Rand gefüllten Krügen, Kannen und Amphoren. Die Soldaten und Zuschauer taten
    sich an der Fülle der Speisen gütlich, während wir
    Höherrangigen uns zu einem eher formellen, weniger
    lustvollen Mahl in den Purpur-Palast begaben.
    Man führte uns in den eleganten »Speisesaal der
    neunzehn Liegen«. Da es dort tatsächlich nur neunzehn
    Liegen gab, konnten diejenigen, die unter meinem, Soas'
    oder des Bischofs Rang waren, nicht untergebracht werden, das heißt, daß all die Senatoren, Magistrate und niederen Geistlichen woanders speisen mußten. Als wir Privilegierten uns müßig zum Mahl ausstreckten, das aus Fasanenbrust in Himbeerwein und gerösteten Zicklein in Fischsauce bestand, hörte ich zufällig, wie Zenos ältere und beleibte, doch immer noch ansehnliche Gemahlin, die Basilissa Ariadne,
    Theoderich zu seinem neuen Titel gratulierte.
    »Selbst das gemeine Volk scheint Eure Ernennung zum
    Konsul gutzuheißen«, sagte sie. »Die versammelte
    Bevölkerung jubelte Euch zu. Ihr müßt stolz sein, Konsul.«
    »Ich strebe danach, meine Demut zu bewahren, Kaiserin«, antwortete Theoderich jovial. »Schließlich schlug Kaiser Caligula einst vor, sein Lieblingspferd zum Konsul zu
    ernennen.«
    Die Kaiserin lachte, doch Zeno schien halb verärgert, halb traurig darüber, daß es Theoderich nicht im geringsten beeindruckte, so mit Ehren überhäuft zu werden. Aber Zeno gab nicht auf. Während der folgenden Tage und Wochen
    fuhr er fort, Theoderich mit Aufmerksamkeiten zu
    schmeicheln, und natürlich kamen auch wir Begleiter des Königs in den Genuß der Annehmlichkeiten, die dies mit sich brachte. Ich für mein Teil war vermutlich von all den
    Belustigungen und Zerstreuungen, die uns geboten wurden, stärker beeindruckt als Theoderich, der inmitten der Wunder von Konstantinopel aufgewachsen war.
    Wenn Theoderich, ich und unsere Begleiter nicht gerade unterhalten oder gefeiert wurden oder die Attraktionen der Stadt zu sehen bekamen, befanden wir uns oft im Gespräch mit dem Kaiser. Stets waren Übersetzer dabei, um die
    Konversation für alle zu erleichtern, und Wein aus Chios wurde ausgeschenkt, um sie in Gang zu halten. Ich wartete darauf, daß Zeno erwähnen würde, wie er Odoaker vom
    Thron zu stürzen gedachte, oder daß er diesbezüglich
    vertraulich mit Theoderich beraten würde, doch offensichtlich hatte er es damit nicht sehr eilig. Er ließ sich nur zeitweise über kaiserliche Angelegenheiten aus und schien damit
    einverstanden zu sein, daß die Übersetzer seine Worte an uns alle weitergaben. Odoaker erwähnte er nicht.
    Monate vergingen. Der Kaiser bewirtete uns Besucher
    weiterhin mit herzlicher Gastfreundschaft und Unterhaltung, doch nie erwähnte er Odoaker. Da Theoderich damit
    zufrieden schien, den Purpur zu tragen und das Leben eines Hedonisten zu führen, und da er mich dazu nicht brauchte, bat ich um seine Erlaubnis, eine Reise unternehmen zu
    dürfen.
    »Solange ich hier im Östlichen Imperium bin, möchte ich außer Konstantinopel noch etwas anderes sehen«, sagte
    ich.
    »Aber natürlich, Thorn«, meinte er nachsichtig. »Wenn ich dich brauche, werde ich einen Boten

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