Der Greif
zu sehen bekommen?«
»Heute nicht mehr«, antwortete ich ihm lächelnd. »Diesen Krieg hast du soeben gewonnen.«
Die erschöpften Sänftenträger versuchten inzwischen
unter großen Mühen, ihre immer noch schwankende Last die Uferböschung hinaufzuhieven. Ein paar von Strabos
Lanzenträgern eilten herbei, um mitanzupacken; da kipppte die Sänfte plötzlich mit einem so heftigen Ruck zur Seite, daß der verstümmelte Strabo hinausgeschleudert wurde und direkt in eine der senkrecht emporragenden Lanzen stürzte.
Als seine Krieger sich von ihrem Schock erholt hatten, erkannten sie, daß für ihren so schlachterfahrenen König diesmal jede Hilfe zu spät kam. Strabos unrühmliches Ende sollte später in alle Geschichtsbücher eingehen.
Als Theoderich, Soas und ich noch in derselben Nacht im Armeezelt Theoderichs bei einigen Bechern Wein die
Ereignisse des Tages besprachen, ließ ich die boshafte Bemerkung fallen: »Fewa hat es vielleicht gar nicht so eilig, zu seiner Königin Giso zurückzukehren. Ich kann es ihm nicht verdenken. Übrigens, ich habe ihn bisher ja nur aus der Ferne gesehen, aber hat er denn wirklich eine so
ungewöhnlich kleine Nase?«
»Was?« Die beiden Männer blinzelten überrascht, und
Theoderich sagte: »Nun, als Rugier hat er natürlich keine markante römische Nase. Aber warum um alles in der Welt stellst du uns diese Frage?«
Ich lachte und erzählte ihnen, wie sehr es Königin Giso auf meinen Gefährten Maghib abgesehen hatte, weil sie
annahm, seine lange armenische Nase sei ein Zeichen
dafür, daß seine männlichen Attribute und Talente ebenfalls besonders gut entwickelt seien.
Die beiden Männer stimmten in mein Gelächter ein, und
Theoderich sagte: »Ich frage mich, warum dieser inzwischen schon so oft widerlegte, uralte Mythos so hartnäckig
weiterlebt.«
Der alte Soas kratzte sich den Bart und sagte
nachdenklich: »Was das weibliche Geschlecht betrifft, so habe ich allerdings immer wieder feststellen können, daß der Mund einer Frau tatsächlich zuverlässige Rückschlüsse auf die Beschaffenheit ihrer weiblichen Organe zuläßt. Ein großer Mund deutet stets auf eine geräumige Vagina hin; wenn der Mund einer Frau besonders weit, lose oder feucht ist, dann weist ihre untere Öffnung dieselben Eigenschaften auf. Und eine Frau, deren kleiner Schmollmund eher an eine zarte Rosenknospe erinnert, hat auch unten ein
dementsprechend kleines Mündchen.«
Ich starrte den Marschall leicht verblüfft an, denn die Vorstellung, daß dieser alte Mann einmal jung genug
gewesen war, um Erfahrungen mit den verschiedensten
Arten weiblicher Münder zu sammeln, fiel mir doch etwas schwer; Theoderich dagegen stimmte Soas Behauptungen
mit einem ernsthaften Nicken zu.
Dieses leichte Thema war für Theoderich und Soas, die
sich sonst immer nur mit gewichtigen Fragen der
Staatskunst und der Kriegsführung beschäftigten, natürlich eine willkommene Abwechslung. Mit meiner nächsten
Bemerkung kam ich jedoch wieder auf die Ereignisse des vergangenen Tages zu sprechen: »Ich war freudig
überrascht, zu hören, daß König Fewa sich inzwischen ganz bereitwillig mit uns verbündet hat. Ich hätte eher erwartet, daß er sehr zornig ist, weil wir seinen Sohn entführt und als Geisel genommen haben.«
»Ne«, sagte Theoderich. »Er schien sich eher zu freuen, seinen kleinen Prinzen so weit weg von zu Hause ganz
unerwartet wiederzusehen und ihn zudem in guten Händen zu finden. Außerdem glaube ich, daß deine Vermutungen
richtig waren, Thorn. Fewa hat tatsächlich erst hier begriffen, daß Strabo ihn belogen hatte, daß er den Thron
unrechtmäßig an sich reißen wollte und, was noch
schlimmer ist, daß dieses Unterfangen von vornherein nur sehr wenig Aussicht auf Erfolg hatte.«
»So weit, so gut«, brummte Soas, der nun wieder ganz der nüchterne, scharfsichtige alte Marschall war. »Strabo hat Fewa für den Einsatz der rugischen Armee sicherlich Euer halbes Königreich versprochen, Theoderich. Was könnt Ihr ihm denn anbieten, wenn er seine Krieger jetzt Euch zur Verfügung stellen will? Oder, besser gesagt, was verlangt Fewa dafür?«
»Gar nichts«, sagte Theoderich gelassen, »er wünscht
lediglich, daß er und seine Männer nach jedem
gemeinsamen Sieg, den wir unter meinem Oberbefehl
erringen, ihren gerechten Anteil erhalten.
»Aber wo wollt ihr denn jetzt noch siegen?« fragte ich.
»Worum wollt ihr denn jetzt noch kämpfen? Und gegen
wen? Strabo war dein einziger
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