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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Bursche sich dir widersetzen würde«, entgegnete ich. »Doch es könnte sein, daß er dich großtuerisch vor vollendete Tatsachen stellen will.«
    »Darauf werde ich nicht warten«, brummte Theoderich.
    »Schicke Boten aus, sie sollen gen Westen und gen Süden reiten, ihn aufstöbern und Meldung erstatten.«
    Es war jedoch schon zu spät. Ein Bote kam von Süden her in vollem Galopp ins Lager gesprengt und zügelte sein
    schwitzendes Reittier abrupt vor dem Zelt mit Theoderichs Standarte. Er fiel vor Müdigkeit fast hin, als er aus dem Sattel stieg. Aber er gehörte nicht zu einer der zehn
    Schwadronen, die unter Friderichs Befehl standen. Er kam von der Hundertschaft, die Theoderich von Concordia aus entlang der Via Aemilia als Wachtposten aufgestellt hatte.
    »Zenturio Brunjo läßt Euch grüßen, König Theoderich«,
    keuchte der Entsandte und rang nach Atem. »Ihr wolltet über jeden Boten unterrichtet sein, der von Odoaker nach
    Ravenna oder Rom geschickt wird. Ich erstatte Meldung, daß er keinen Boten schickte. Er reitet selber eilends nach Ravenna, er und sein General Tufa an der Spitze einer, wie es scheint, vollständigen Armee, die unsere Männer
    aneinandergekettet als Gefangene mit sich führt.«
    »Odoaker und Tufa?« fragte Theoderich durch
    zusammengebissene Zähne hindurch. »Und welche unserer Leute?«
    »Nun, König Friderich und zwei- bis dreihundert seiner Rugier, alle verwundet. Der Zenturio nahm an, daß Ihr hier eine schwere Niederlage erlitten haben müßt, wenn Ihr so viele Männer...«
    »Schweig!« fuhr Theoderich ihn an, und sein Gesicht war blaß vor Wut. »Eine schallende Ohrfeige habe ich
    bekommen. Abgesehen von Spekulationen - was habt Ihr
    gesehen, und welche Maßnahmen wurden ergriffen?«
    »Ja waila!« Der Bote stand plötzlich sehr aufrecht und berichtete in gewandten Worten: »Odoakers Kolonne kam
    von Westen her nach Bononia, zog im Eilmarsch durch die Stadt hindurch und in südöstlicher Richtung weiter. Ihr hattet für diesen Fall keine Befehle erteilt, also beschloß der Zenturio, mit den Männern, die er zur Verfügung hatte, anzugreifen. Er hoffte, die Kolonne in ihrem Fortkommen zu hindern, obwohl er sich gleichzeitig bewußt war, daß der Angriff für ihn und seine Mannen Gefangenschaft oder Tod bedeutete. Ich kehrte nur deshalb um und ritt davon, weil ich Befehl hatte, Euch Meldung zu erstatten. Ich wäre lieber geblieben und...«
    »Sicher, sicher. Gibt es sonst noch etwas zu berichten?«
    »Da Odoakers Heer in schnellem Tempo vorrückt und sich in Bononia nicht auf der kürzesten Strecke gen Süden
    wandte, hat Odoaker offenbar nicht vor, nach Rom zu
    marschieren. Wie unsere Kundschafter herausfanden, führt die Via Aemilia entweder nach Ravenna oder nach
    Ariminum, und Zenturio Brunjo vermutete, daß Odoaker sich nach Ravenna begibt. Mehr weiß ich nicht zu berichten, König Theoderich, außer daß mein Zenturio und meine
    Kameraden ganz sicher...«
    »Ja, ja, ich weiß. Wie ist Euer Name, junger Mann?«
    »Witigis, Optio der zweiten Schwadron, Brunjos
    Hundertschaft der Kavallerie, Euch zu Diensten, König
    Theoderich...«
    »Gut, Optio Witigis. Geht jetzt und meldet General Ibba, er solle seine gesamte Kavallerie auf einen sofortigen
    Abmarsch und baldigen Kampf vorbereiten. Außerdem soll er Euch in der vordersten Linie einer seiner Schwadronen aufstellen; Eurem Wunsch wird also bald entsprochen
    werden.«
    Der junge Mann grüßte und ritt davon, und Theoderich
    murmelte finster: »Vielleicht wird uns allen dieser Wunsch bald in Erfüllung gehen, ob wir wollen oder nicht, wenn ein Narr wie ich das Kommando hat. Wie konnte ich mich von diesem Verräter Tufa nur so täuschen lassen?«
    »Er hörte sich aufrichtig an«, gab ich zur Antwort.
    »Vai! Herduich auch, als er sagte, Odoaker habe keine
    Knochen mehr im Leibe. Wie soll ich mich dann nennen? Ich muß Mark und Willen verloren haben, mich derart täuschen zu lassen!«
    »Theoderich«, sagte ich, »ich bitte, mich persönlich vom Schicksal der gefangenen Rugier überzeugen zu dürfen.«
    »Kannst du überhaupt reiten, Thorn? Du bist verwundet.«
    »Ach was, nur ein Kratzer. Heilt schon wieder. Er hindert mich nicht daran, gut mein Pferd zu zügeln und mein
    Schwert zu schwingen.«
    »Dann geh'. Wenn du willst, kannst du weitere zehn
    Schwadronen mitnehmen. Der Rest der Rugier wird nach
    Rache dürsten.«
    »Nein, danke. Ich komme allein besser voran. Und damit ich dich wiederfinde: Darf ich erfahren, was du als

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