Der Greif
der Zahl der Toten ablesen, die sie zurücklassen.«
»Was nicht heißt, daß sie ihr Tempo verlangsamen. So
schnell könnt Ihr Euer Heer gar nicht bewegen, wie es die Umstände verlangen; Ihr müßtet Odoaker einholen, bevor er eines von zwei Zielen erreicht: Er flieht gen Westen, zum Adduafluß, wo dieses andere Heer daraufwartet, Euch zu konfrontieren. Wenn Odoaker jedoch erfährt, daß sein Plan scheitert, könnte er beschließen, sich stattdessen gen Süden, nach Ravenna, zu begeben. Und wenn er einmal
dort ist, werdet Ihr ihn nie wieder herausbekommen. Die Stadt liegt in den Sümpfen und ist uneinnehmbar. Ich
schlage vor, Theoderich, daß Ihr mich sofort ausschickt, Odoaker zu fangen, bevor er eines dieser beiden Ziele
erreicht.«
»Euch?« fragte Theoderich wieder. »Euch und Eure
Leibwachen?«
»Und so viele Eurer eigenen Leute, wie Ihr mir
anvertrauen wollt. Diejenigen, die bereits die Verfolgung aufgenommen haben, und noch ein paar Mann dazu. Ich
brauche eine bewegliche Streitmacht - klein genug, um
schnell und wendig zu sein, groß genug, um zuschlagen zu können, wenn es zum Kampf kommt. Ich hege keine
Hoffnung, das gesamte fliehende Heer zu besiegen. Ich will sie nur zwingen anzuhalten und sich zu verteidigen. Das wird Eurem Heer Zeit geben aufzuholen. Also, Theoderich, Ihr braucht mir nur einen Teil Eurer Kavallerie
abzukommandieren. Oder Ihr schließt Euch selbst an, wenn Ihr...«
»Nein, laßt mich mitkommen«, unterbrach ihn der junge
Friderich. »Draußen vor den Mauern warten meine
rugischen Reiter ungeduldig darauf, daß etwas geschieht.
Theoderich, laßt mich, Tufa und alle unsere Rugier hinter Odoaker hersetzen.«
Als Theoderich nicht sofort antwortete, sondern erst über den Vorschlag nachdachte, meinte Herduich hilfsbereit:
»Das wird Odoaker bestimmt bedrücken, zu sehen, wie sein einstiger Heerführer und alle Rugier sich plötzlich von ihm abwenden.«
»Er wird verzweifeln«, fügte Friderich enthusiastisch hinzu.
»Er wird die Arme hochwerfen und sich auf der Stelle
ergeben.«
»Das kann ich nicht versprechen«, erwiderte Tufa. »Doch was immer auch geschehen mag, Theoderich, was verliert Ihr, wenn Ihr uns schickt?«
»Eins jedenfalls ist sicher«, knurrte der alte Soas. »Je länger wir reden, desto mehr Vorsprung gewinnt Odoaker.«
»Ihr habt recht«, antwortete Theoderich. »Ihr habt alle recht. Nimm also zehn Schwadronen deiner Reitersoldaten, Friderich. Und Ihr, Tufa, begleitet ihn, und helft ihm. Vergeßt nicht, daß Ihr nur ein Verbündeter auf Probe seid. In dieser Mission befiehlt Euer rugischer König. Schickt Boten und haltet mich davon unterrichtet, was wo geschieht. So sei es!«
Tufa antwortete wie Friderich mit dem germanischen
Salut, nicht mit dem römischen, und beide ritten in Richtung des Tores davon, durch welches wir die Stadt betreten
hatten.
Ich wandte mich an Theoderich: »Vor nicht allzu langer Zeit hast du darauf spekuliert, daß Tufa abtrünnig wird.
Weshalb zögerst du jetzt?«
»Ich will mehr als nur sein Wort. Er soll seine
Überzeugung mit Taten beweisen. Und selbst dann - einem Verräter kann weder vertraut noch Respekt
entgegengebracht werden, das weiß Tufa so gut wie ich.
Kommt nun, Soldaten, wir wollen wieder Ordnung schaffen, damit die Bürger zurückkommen und Leben in die Stadt
bringen. Verona ist zu schön, als daß es lange in Unordnung gelassen werden dürfte.«
Nun, wir hatten Verona durch diese ruinöse Abschlachterei tatsächlich gewonnen. Und wir konnten uns dazu
gratulieren, nun ein gutes Drittel der gesamten Strecke über die italische Halbinsel zurückgelegt zu haben und damit tief in die römischen Lande vorgedrungen zu sein. Dennoch,
diese Schlacht - und alle unsere bisherigen Schlachten -
hatte keine Entscheidung herbeigeführt. Was Odoaker
betraf, so war er noch immer unbesiegt und weit davon
entfernt, um Frieden zu bitten, und das Volk akzeptierte uns Eindringlinge nicht als seine Befreier. Daß Verona nun uns gehörte, schien für niemanden etwas zu ändern.
Es ist vielleicht nicht verwunderlich, daß keiner unserer Generäle sich sorgte, als Friderich und Tufa uns nicht sofort durch einen Boten Bericht erstatteten, wohin sie geritten waren und was sie unternahmen. Theoderich jedoch nahm
dies zur Kenntnis und knurrte: »Vier Tage ohne Nachricht.
Ist es möglich, daß der junge Pfau mich hier in Unwissenheit hält, damit er ohne Aufsicht umherstolzieren kann?«
»Ich glaube nicht, daß der
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