Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
des
    Schlachtfeldes, von wo aus er alles am besten überblicken konnte. Auch ich befand mich unter ihnen, als einer unserer Reiter an der Stadtmauer entlanggeprescht kam, um uns
    davon zu unterrichten, daß zwei der drei Stadttore von innen geöffnet worden waren und einen Sturzbach fliehender
    Menschen freigaben.
    »Es sind keine Soldaten darunter«, berichtete der Bote.
    »Nur Bürger der Stadt sind herausgelassen worden, um sich in Sicherheit zu bringen.« Theoderich grunzte und entließ den Mann wieder auf seinen Posten. Dann wandte er sich an uns: »Das bedeutet, daß Odoaker es darauf ankommen
    läßt, wer am längsten aushält. Wir müssen uns Straße um Straße und Haus um Haus vorkämpfen, und es wird auf
    beiden Seiten viele Tote und Verletzte geben. Welch
    unkönigliche Art der Kriegsführung!«
    Ibba murmelte: »Wie eine Hure, die sich spreizt und doch gleichzeitig kratzt und beißt.«
    »In vergangenen Kriegen stand Odoaker immer aufrecht.
    Er muß mit fortschreitendem Alter sein Rückgrat verloren haben«, sagte Herduich.
    »Es erstaunt mich«, meinte Friderich, »daß sein General Tufa dieser Strategie zustimmt. Schließlich ist er Rugier.«
    Pitza schlug vor: »Da die Bürger freigelassen wurden,
    könnten wir einfach die Tore mit Wachen besetzen, die
    römische Armee in Verona einsperren und als Sieger ohne Blutvergießen aus der Auseinandersetzung hervorgehen. Mit der Zeit würden die da drinnen verhungern und verfaulen.«
    Theoderich schüttelte den Kopf. »Es genügt mir nicht,
    Odoaker einfach zu begraben. Ich muß es jedem Römer -
    und auch Zeno beweisen, daß ich ihn ganz und gar besiegt habe.« Indem er wie ein einfacher Fußsoldat Schild und Schwert erhob, fügte er hinzu: »So, Kameraden. Wenn
    Odoaker und Tufa sich einen langwierigen Nahkampf
    wünschen, werden wir uns diesem Wunsch beugen.«
    Noch etwas lernte ich in Verona. Während des Kampfes
    von Haus zu Haus sollte ich herausfinden, warum jede
    Wendeltreppe auf der Welt sich aufwärts nach rechts dreht: Ein Eindringling, der versucht, sich den Weg nach oben freizukämpfen, wird von der Mittelsäule der Treppe
    gehindert, mit der Rechten das Schwert zu schwingen,
    während der das Haus Verteidigende von oben kommend -
    genug Freiraum für den Hieb besitzt. So kam es, daß ich mir in einem Haus irgendwo in der Mitte der Stadt eine
    Schwertwunde an meinem linken Arm zuzog. Die Wunde
    setzte mich nicht außer Gefecht, blutete jedoch so stark, daß ich mich kurzfristig aus dem Kampf zurückziehen mußte, um von einem griechischen Arzt verbunden zu werden. Ich
    tröstete mich damit, daß ich nun auf jeder Seite
    gleichermaßen mit Narben versehen war - die auf meinem linken Arm passte zu der auf meinem rechten Arm, die von damals stammte, als Theoderich mich wegen eines
    Schlangenbisses behandelt hatte.
    Ich weiß nicht, wie weit sich unsere Männer in die Stadt vorgekämpft hatten, als mich der Arzt schließlich gehen ließ.
    Ich eilte zurück ins Kampfgetümmel, beugte unterwegs
    meinen verbundenen Arm und fragte mich, ob ich damit wohl kräftig genug mein Schild wieder würde packen können. Ich gelangte auf einen kleinen Platz, auf dem sich viele Soldaten wütend im Nahkampf bekämpften, während viele andere
    schon bewegungslos oder sich windend auf dem Pflaster
    lagen. Gerade, als ich mich unter die Kämpfenden begeben wollte, betraten zwei weitere Männer den Hof von der
    gegenüberliegenden Seite, hoben ihre leeren Hände über die Köpfe und schrien laut, so daß man sie über dem
    Kampfeslärm hörte: »Waffenruhe! Indutiae! Gawairthi!«
    Die hellere Stimme gehörte dem jungen Friderich, die
    tiefere einem großen Mann in römischer Kampfmontur. Die römischen Kämpfer gehorchten dem älteren Mann und
    legten die Waffen nieder. Unsere Leute gehorchten Friderich und taten dasselbe, worauf er einigen von ihnen befahl, Theoderich zu suchen und ihn herzubringen. Als der junge König mich erblickte, rief er fröhlich: »Ach, Saio Thorn! Ihr seid verletzt? Hoffentlich nicht schlimm! Erlaubt mir, Euch meinem rugischen Vetter, dem Heerführer Tufa
    vorzustellen.«
    Der General begrüßte mich nur mit einem Grunzen, also
    grunzte auch ich. Während die Stadt um uns ob der
    Nachricht der Waffenruhe ruhiger wurde, erzählte mir
    Friderich stolz, wie sein »Vetter« ihn aufgespürt hatte, um einen vorübergehenden Waffenstillstand zu erbitten. Tufa trug die elegante Rüstung, die seinen hohen Rang auswies, und sie stand ihm gut. Als

Weitere Kostenlose Bücher