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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Kleidungsstücke durchsuchen, ob sie etwas finden, was ihnen paßt.«
    »Vier Männer nur?« Der Optio grinste erwartungsvoll.
    »Und ich bin der fünfte?«
    »Nein, ich. So jedenfalls sprach ich mich mit dem
    Nauarchen Lentinus ab, bevor er südwärts segelte. Er
    erwartet mich am anderen Ende von Ravenna - falls wir
    Trojaner es schaffen, durchzukommen. Aber ich habe einen anderen Auftrag für Euch. Wie ich annehme, sind noch
    weitere Maultierzüge aus dem Norden hierher unterwegs; konfisziert die Waren und pökelt die Treiber ein. Dann schickt Ihr die Züge zurück, aber mit Euren Männern als Treibern. Ich habe Gudahals aufgetragen, mir den Anführer der Verschwörer zu bringen; die andere Brut will ich nicht.
    Und hier, Optio. Ich vertraue Euch meine Waffen und meine Rüstung an, während ich weg bin.«
    Landerit sagte: »Ich weiß, es geht mich nichts an,
    Marschall, aber ich bin neugierig. Wie kommt es, daß Ihr so viel über diesen Ort Hanstaths wißt, wo die Züge
    herkommen?«
    »In meiner Jugend verbrachte ich einmal einen Teil eines Sommers an jenem schönen Ort. Die Stätte des Echos.« Ich hielt inne und sinnierte: »Ich hätte nicht erwartet, jemals in meinem Leben nochmals ein Echo davon zu hören.«
    »Selig sind die Friedfertigen!« Mit gesenkter Stimme
    zitierte Theoderich den Apostel Matthäus, als er erstaunt mich und die anderen vier Treiber, den Nauarchen Lentinus und unsere Gefangenen betrachtete, die in Ariminum auf ihn warteten. »Erzähl mir, wie du es geschafft hast, sie
    gefangenzunehmen.«
    »Es war keine Heldentat«, antwortete ich bescheiden.
    »Die Wachen um Ravenna ließen unseren trojanischen
    Maultierzug unter prüfenden Blicken in die Stadt hinein. In der Mitte der Stadt wartete schon ein Trupp Soldaten auf uns. Meine Leute hielten den Mund, wie es ihnen befohlen worden war, und ich plauderte zwanglos mit dem Optio, dem ich den Zug übergab, über Hanstaths.«
    »Was hättest du getan«, fragte Theoderich belustigt,
    »wenn die Soldaten den einen oder anderen trojanischen Ballen aufgeschlitzt hätten?«
    »Glücklicherweise taten sie das nicht. Wie man sich
    denken kann, brachten sie die Maultiere in verschiedene Stadtteile, so daß die Lebensmittel gleichmäßig verteilt werden konnten. Übrigens fand ich während unseres kurzen Besuches dort heraus, daß Ravenna immer noch einen
    beträchtlichen Vorrat an Korn und anderem Getreide hat, die Züge jedoch waren die einzige Quelle wirklich eßbarer Kost und geschmackverleihenden Öls. Die Soldaten jedenfalls kümmerten sich nicht mehr um uns, als sie die Maultiere hatten, und wir machten uns davon, ohne aufgehalten zu werden.«
    Theoderich lachte. »Habt ihr das Geheul gehört, das
    ausgebrochen sein muß, als die Ballen geöffnet wurden?«
    »Ich war jeden Augenblick darauf gefaßt. Ich wußte, daß wir uns beeilen mußten, bevor die wütenden Soldaten sich auf die Suche nach uns machten. Nun, wir waren zu wenige, als daß wir der Verteidigung der Stadt bedeutsamen
    Schaden hätten zufügen können, selbst wenn wir
    untertauchen und wochenlang im Geheimen hätten arbeiten können. Uns blieb nur übrig, etwas zu stehlen. Etwas zu stehlen, das wir sozusagen als Brecheisen benutzen
    konnten, wenn wir erst einmal außerhalb der Stadtmauern waren. Natürlich hätte ich Odoaker gerne entführt, doch uns blieb nicht genug Zeit, ihn zu suchen. Außerdem ging ich davon aus, daß er schwer bewacht sein würde, und wir
    waren alle unbewaffnet. Dann erspähte ich die Basilika des Heiligen Johannes, die katholische Kathedrale der Stadt.
    Selbst die gewissenhaftesten Legionäre machen sich nicht die Mühe, Kirchen zu bewachen. Als wir in die Basilika eindrangen, fanden wir im Presbyterium diese beiden unsere Beute.«
    »Und nun seid ihr wieder hier«, sagte Theoderich und
    schüttelte in unverhohlener Bewunderung den Kopf.
    »Nun sind wir wieder hier«, erwiderte ich. »Erlaube mir, dir unsere priesterlichen Gefangenen vorzustellen. Der jüngere und dickere von beiden - wir haben schließlich zugelassen, daß er gut gefüttert wurde - derjenige, der so sehr versucht, heilig auszusehen, geduldig und seinen Entführern
    gegenüber nachsichtig, das ist Erzbischof Johannes von Ravenna. Der andere, der schmächtige, gebrechliche,
    zitternde Alte, das ist wirklich ein Heiliger. Er ist zu seinen Lebzeiten schon zum Heiligen erklärt worden - vermutlich der einzige Heilige, den ich und du, Theoderich, jemals zu Gesicht bekommen werden. Du hast von ihm

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