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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sich nichts tat und die nicht enden wollte? Das jedenfalls dachte ich, bis Gudahals, nachdem er, ich und Lentinus es uns bei Wein und Käse auf den Kissen seines Zeltes bequem gemacht
    und uns zwanglos unterhalten hatten, ungefähr zum achten Mal selbstgefällig versicherte: »Absolut nichts geht nach Ravenna hinein, Saio Thorn«, und ebenso selbstgefällig hinzufügte: »Bis auf das Salz.«
    Diese Worte hingen einen Augenblick in der Luft, bis
    Lentinus und ich fassungslos ihre Bedeutung verstanden.
    Dann fragten wir beide atemlos und wie aus einem Munde:
    »Was?«
    Immer noch selbstgefällig wiederholte Gudahals fröhlich und ohne unsere starren Blicke zu bemerken: »Die
    Maultierzüge mit dem Salz.«
    Der Nauarch und ich saßen inzwischen kerzengerade. Ich gab Lentinus mit einem Wink zu verstehen, er solle mir das Gespräch überlassen, und sagte so beiläufig wie möglich:
    »Erzählt uns von den Maultierzügen, Zenturio.«
    »Nun, sie kommen aus der Regio Salinarum der hohen
    Alpen über die Via Popilia. Deshalb wurde die Straße
    gebaut, habe ich mir von den Treibern sagen lassen. Sie bringen Salz von den Salzminen dort oben, und zwar schon seit Jahrhunderten, und es wird von den Kaufleuten in
    Ravenna ins Ausland verschifft.«
    Sanft, als würde ich zu einem Kind sprechen, sagte ich:
    »Zenturio Gudahals, die Kaufleute in Ravenna treiben keine Geschäfte mehr.«
    »Eben!« rief er aus und lachte vergnügt in sich hinein,
    »dafür sorgen wir, nicht wahr? Weil das Salz in Ravenna nicht mehr verschifft werden kann, gehen die Maultierzüge durch Ravenna hindurch und stattdessen nach Ariminum.«
    Lentinus war mittlerweile so rot angelaufen, daß ich
    befürchtete, er würde wie Papst Felix gleich einen
    Schlaganfall erleiden, also ließ ich ihn sprechen. Es ist ihm hoch anzurechnen, daß auch er seine Stimme unter
    Kontrolle behielt: »Das bedeutet natürlich, daß die Züge erst hier durch Eure Belagerungslinie kommen, bevor sie
    weiterziehen.«
    Gudahals sah ihn verdutzt an. »Aber natürlich, Nauarch.
    Wie anders würden sie nach Ariminum kommen?«
    »Wie groß sind diese Züge?« fragte ich. »Wieviele
    Maultiere sind es? Was tragen sie? Kommen sie
    regelmäßig?«
    »Ja, Marschall. Ungefähr zweimal die Woche, seit ich hier bin. Die Knechte sagen, das sei normal.« Er machte eine Pause, hielt den Weinschlauch hoch und schräg über seinen geöffneten Mund und trank einen großen Schluck. »In jedem Zug sind ungefähr zwanzig bis dreißig Maultiere, aber ich kann ihre Traglasten nicht in Pfund oder Amphoren
    schätzen. Es ist gewiß furchtbar viel.«
    Lentinus wiederholte, als hätte er das erste Mal nicht richtig gehört: »Und Ihr und Eure Männer habt jeden dieser Züge durch Eure Linie hier ziehen lassen, ohne daß Ihr jemanden befragt oder gehindert hättet?«
    »Aber natürlich«, sagte Gudahals nochmals. »Ich würde
    nie daran denken, mich den Befehlen meiner Vorgesetzten entgegenzustellen. «
    »Den Befehlen?« krächzte Lentinus und seine Augen
    traten hervor.
    Besänftigend, als würde er zu einem Kind sprechen,
    erklärte Gudahals: »Als General Herduich uns hier postierte, verbot er mir als befehlshabendem Zenturio und meinen
    Männern ausdrücklich, zu plündern, zu vergewaltigen, zu stehlen - alles, was gutem Betragen entgegensteht. Wir sind hier Ausländer, sagte der General; wir müssen den Respekt der Leute gewinnen, damit sie Theoderich als ihren neuen König anerkennen. Vor allem dürften wir nichts
    unternehmen, sagte der General, was das jeweilige
    Gewerbe schädigen würde, mit dem sich die Bevölkerung
    ihren Lebensunterhalt verdient - die Bürgerschaft Ravennas natürlich ausgenommen. Und die Maultiertreiber erzählten mir, daß Salz schon immer eines der einträglichsten Güter römischen Handels war.«
    »Liufs Guth...« stieß ich entsetzt hervor.
    »Es stimmt, Marschall! Seit die Römer jene reichen
    Salzminen in den Alpen entdeckten, hat Rom das Monopol für den Salzhandel. Natürlich tue ich, was ich kann, um meinem König Theoderich in seinem Bemühen zur Seite zu stehen, die Zuneigung seiner neuen Untertanen zu
    gewinnen. Ebenso achte ich sehr darauf, nichts zu tun, was sein Ansehen schmälern könnte, wie zum Beispiel das
    römische Volk dadurch zu verärgern, daß ich seinen
    Salzhandel behindere.«
    Lentinus hatte inzwischen das Gesicht in den Händen
    vergraben.
    »Sagt mir, Gudahals«, seufzte ich. »Tragen diese
    Maultierzüge, wenn sie von Ariminum

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