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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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seinen Willen zu einem Glauben gezwungen
    werden.« Genau das aber hatte die römische Kirche im
    Sinn: die ganze Menschheit ihrem Glauben zu unterwerfen.
    Wenn die Kleriker Theoderich, dem ungläubigen
    Eindringling, bisher nur Mißtrauen entgegengebracht hatten, dann schlug dieses Mißtrauen nach seinem »non
    possumus« um in Haß. Sie verdammten ihn als eine tödliche Gefahr für ihre Mission in dieser Welt, für ihre heilige Berufung, für ihre bloße Existenz, und zitierten zur
    Rechtfertigung Jesus: »Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.« Von diesem Zeitpunkt an arbeitete die katholische Kirche unablässig und unbarmherzig am Sturz Theoderichs und setzte allen seinen Anordnungen erbitterten Widerstand entgegen.
    Um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, muß ich hinzufügen, daß nicht alle Kirchenleute Theoderich Steine in den Weg warfen. Der Bischof von Ticinum, ein Mann namens
    Epiphanias, kam eines Tages mit einem interessanten
    Vorschlag zu Theoderich. Ich glaube zwar, daß Epiphanius nur seine Position, sei es in der Kirche oder unter den Gläubigen, festigen wollte. Nichtsdestoweniger konnte auch Theoderich von seinem Vorschlag profitieren. Epiphanius erinnerte an die mehr als tausend italienischen Bauern, die von den brandschatzenden Burgundern unter König
    Gundobad verschleppt worden waren. Deren Auslösung aus der Gefangenschaft und Heimführung würde, so Epiphanius, Theoderich viele Freunde gewinnen. Er selbst, Epiphanius, würde sich als Unterhändler zur Verfügung stellen.
    Theoderich akzeptierte diesen Vorschlag nicht nur, sondern gab Epiphanius zudem noch eine berittene Zenturie und
    genügend Gold als Lösegeld mit auf den Weg. Außerdem
    vertraute er dem Bischof seine Tochter Arevagni an, die er König Gundobads Sohn, dem Kronprinzen Sigismund, zur
    Frau anbieten sollte.
    »Was soll das, Theoderich?« protestierte ich. »Gundobad hat dich hinterrücks überfallen und ausgeraubt, während du in einen Krieg verwickelt warst. Du selbst hast ihn als den feigen Sohn einer räudigen Hündin beschimpft. Der Mann hat eine Lektion verdient, eine gewaltsame Lektion. Aber nein, nicht genug, daß du ihm ein Lösegeld für die Heimkehr der Gefangenen anbietest. Du willst ihn auch noch zum
    Schwiegervater deiner königlichen Tochter machen?«
    »Arevagni ziert sich nicht«, entgegnete er mir geduldig.
    »Warum also du? Irgendwann muß das Mädchen irgend
    jemanden heiraten. Sigismund wird dereinst König eines stolzen Volkes werden - eines Volkes, das an Italiens
    nordwestlicher Grenze lebt. Denk nach, Saio Thorn. Je
    besser es diesem Land geht, und das ist schließlich mein Ziel, desto mehr wird es habgierige Fremdlinge anziehen.
    Indem ich die anderen Könige, besonders die Söhne von
    räudigen Hündinnen, zu meinen Verwandten mache,
    verringere ich die Gefahr, daß sie meine Feinde werden.
    Väi, ich wünschte nur, ich hätte mehr Nachkommen, für die ich vorteilhafte Heiraten arrangieren könnte.«
    Nun, es war Theoderichs Reich, und Arevagni war seine
    Tochter, die er verheiraten konnte, wie es ihm beliebte. Mir blieb nichts als einzusehen, daß in der Kunst der
    Staatsführung der Zweck die Mittel heiligt, und Theoderich, wie jeder andere Herrscher auch, diese Kunst beherrschen mußte.
    Fortuna, die Schicksalsgöttin, war Theoderich in jener Zeit wohlgesonnen. Dafür geizte sie mir gegenüber mit ihrer Gunst um so mehr. Man hätte fast glauben können, Bischof Johannes' Drohung, ich würde für die Mißhandlung des
    geheiligten Severin bestraft werden, bewahrheitete sich.
    Hatte er mich mit einer christlichen Version der Insandijs der Alten Religion, mit einem Fluch, belegt?
    Folgendes hatte sich zugetragen: Obwohl wir nie
    herausfanden, wer die Verräter waren, die Odoaker und
    Ravenna vom Meer her mit Vorräten versorgt hatten, war ich doch zufrieden mit mir selbst, weil ich den Exilanten erwischt hatte, der für die falschen Salzzüge verantwortlich war.
    Zenturio Gudahals war es, der den alten Georgius
    Honoratus aus Haustaths anschleppte. Georgius, nicht zu unrecht um sein Wohl fürchtend, war bei guter Gesundheit.
    Wenn seine Haare, seine Haut, ja, sein Geist schon seit jeher grau waren, dann waren sie es jetzt um so mehr. Ich bezweifle, daß ich ihn ohne weiteres wiedererkannt hätte. Er jedenfalls erkannte mich nicht, und ich wechselte kein Wort mit ihm, sondern befahl, daß er im Kerker von Ravenna zur Vernehmung durch mich bereitgehalten würde. Ich
    gratulierte Gudahals zu seiner guten

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