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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Arbeit und meinte, damit habe er seine früheren Fehler wettgemacht.
    »Das hoffte ich, Saio Thorn«, erwiderte er. »Übrigens, wir haben auch die Helfershelfer des Verräters, nach denen Ausschau zu halten Ihr mir ebenfalls aufgetragen habt, gefunden. Ein Händler und seine Frau. Wir haben sie
    praktisch auf frischer Tat ertappt und an Ort und Stelle hingerichtet. Genauso, wie Ihr es befohlen hattet, Saio Thorn.«
    »Genauso, wie ich es befohlen hatte«, wiederholte ich mit plötzlich verzagtem Herzen. Ich erinnerte mich daran, was Georgius' Sohn mir erzählt hatte. Seine Schwester hatte einen Händler geheiratet und mit ihm die Hallstatt verlassen.
    »Das Ehepaar«, fragte ich, »wie hießen die?«
    »Der Händler nannte sich Alypius. Er hatte einiges
    Vermögen, Läden, Ställe, eine Schmiede. Er versorgte die Handelszüge, die über die Alpen zogen. Georgius erwähnte später, daß Alypius' Frau Livia geheißen hätte. Ich bin sicher, er hat noch mehr zu erzählen, Saio Thorn. Aber wir haben ihn nicht weiter vernommen, denn Ihr hattet befohlen, ihn nicht zu mißhandeln.«
    Diese Nachricht erschütterte mich so sehr, daß ich nicht einmal Georgius im Kerker aufsuchte, weder um mich an
    seinem Anblick zu weiden noch um ihn zu fragen, warum er seine Familie für den Dienst an Odoaker eingespannt hatte.
    Erst als es zu spät war, fielen mir ein paar Fragen ein, die ich ihm hätte stellen können. Vielleicht weil es meine Schuld war, daß das Leben seiner Tochter so vorzeitig zu einem Ende gekommen war, interessierte ich mich dafür, was für einen Mann sie geheiratet und wie ihr Leben ausgesehen hatte. Aber als ich Georgius in der Mühle, in der er zum Sklavendienst eingeteilt war, aufsuchen wollte, war er schon gestorben und seine unwürdigen Überreste unter der Erde -
    an demselben unheiligen Ort, an dem auch Odoakers
    Gebeine ruhten, auf jenem Friedhof, der an die jüdische Synagoge angrenzte.
    Auch die Tatsache, daß die fränkische Prinzessin
    Audefleda jetzt in Ravenna lebte, konnte meine Stimmung nicht heben. Sie war mit ihrer schönen Figur und dem von einer Kaskade blonden Haars umrahmten Gesicht, in dem
    ihre blauen Augen glänzten, auffällig hübsch. Ihre Haut hatte die Farbe von Elfenbein, und ihr Busen war wohlgeformt.
    Auch ihre Sprache und ihr Benehmen machten ihrem
    königlichen Stand alle Ehre. Dabei protzte sie mit ihrer Schönheit keineswegs. So zuvorkommend und großzügig
    wie mich behandelte sie alle Angehörigen des Hofes - bis hinunter zu den Dienern und Sklaven. Audefleda würde, kurz gesagt, die ideale Königin an Theoderichs Seite sein.
    Das letzte Mal, als wir uns vor seiner Hochzeit
    unterhielten, sagte Theoderich: »Thorn, ich kenne deine vagabundierende Natur. In der Zwischenzeit habe ich so viele Marschälle ernannt, um auf Dauer in jeder Stadt von Bedeutung einen zu stationieren. Soas etwa wird als mein Statthalter in Mediolanum dienen. Aber dich, Thorn, bitte ich, mein reisender Statthalter zu sein, so, wie du es auch bisher gewohnt warst. Reise durch Italien, in ferne Länder, wohin immer es dich zieht, und erstatte mir Bericht über alle Vorgänge, die für mich von Wichtigkeit sein könnten. Wäre das nicht eine Aufgabe nach deinem Gefallen?«
    Natürlich war es das, aber etwas steif erwiderte ich: »Ich erwarte, Befehle von meinem König zu erhalten, keine
    Gefallen.«
    »Nun gut. Zuerst solltest du dich nach Rom begeben,
    denn ich habe noch nicht entschieden, wer dort mein
    Vertreter sein soll. Und es wird noch eine ganze Zeit dauern, bis ich selbst gehen kann. Komm zurück und berichte mir...
    nun... alles, was ich über Rom wissen muß.«
    Ich grüßte und sagte: »Ich mache mich sofort auf den
    Weg.«
    Ich hatte »sofort« gesagt, um eine annehmbare
    Entschuldigung für meine Abwesenheit am Hochzeitstag zur Verfügung zu haben. Denn von Herizogo Thorn, dem
    verläßlichen Marschall und guten Freund des Königs, hätte sonst jeder erwartet, daß er einen prominenten Platz unter den Gratulanten und Gästen an diesem glücklichen Tag
    einnehme.
    2
    Kurz nach Sonnenuntergang ritten ich und die wenigen
    Soldaten, die mich begleiteten, auf der Via Nomentana in die nördlichen Bezirke Roms ein. An einer Taverne mit einem großen Hof und einem Stall für die Tiere ließ ich für die Nacht Halt machen. Als wir die Taverne betraten, begrüßte mich der Wirt zu meiner großen Überraschung aufs
    herzlichste: »Hails, Saio Thorn!«
    Verwirrt blieb ich stehen, als er mit ausgestreckter

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