Der Greif
dann nur, daß er noch korpulenter geworden war und feinere Kleider und viele Ringe an seinen Fingern trug. Das, so sagte er, verdankte er seinem zunehmenden Reichtum, den er seinem Erfolg im Bernsteinhandel zu verdanken
hatte. Der wiederum wäre ohne seinen Geschäftspartner
Maghib (sein Partner jetzt!) an der Bernsteinküste nicht möglich geworden.
Auf dem Sklavenmarkt von Novae hatte ich nur sehr
wenige junge Sklaven gefunden, die meinen Ansprüchen
genügten. Auch in Prista und Durostorum war es nicht
anders gewesen. Die Hafenstädte an der unteren Donau
boten einfach eine zu geringe Auswahl. Deshalb hatte ich den ganzen Weg hinunter nach Novidunum auf mich
genommen, denn hier, an der Küste des Schwarzen Meeres, fand ein schwunghafter Sklavenhandel statt. Und natürlich hatte ich es mir nicht nehmen lassen, bei dem alten Meirus vorbeizuschauen.
»Was du tun mußt«, fuhr er fort und goß uns beiden Wein ein, »ist folgendes: Lehre deine Sklaven ihr Handwerk so gut, daß ihr Herr, wenn er sie mit seiner Frau im Bett erwischt, nicht sie, sondern seine Frau davonjagt.«
»Ich hoffe, sie so weit zu bringen. Die Jungen und
Mädchen, die ich bereits gekauft habe, habe ich schon
meinen eigenen Bediensteten in die Lehre gegeben, dem
Kellermeister, dem Hausverwalter, dem Notar und so weiter.
Jedes Kind dorthin, wo es die Anlagen, die ich an ihm
feststellen konnte, am besten wird entfalten können. Doch wünschte ich, jeder Tutor würde mit mehreren Kindern
gleichzeitig arbeiten. Aber in den Städten am Fluß war das Angebot zu dürftig.«
»Hier bist du am richtigen Ort. In Noviodunum finden sich Sklaven jeder Größe, jeden Alters und jeder Hautfarbe.
Männer, Frauen und Eunuchen. Perser, Chasaren, Myser
und Tscherkessen. Alles, wovon du jemals gehört hast und wahrscheinlich noch mehr. Hast du irgendwelche Vorlieben?
Die Tscherkessen sind die hübschesten, sagt man.«
»Ich will nur, daß sie jung sind - höchstens im Jugendalter verständig, robust und noch nicht ausgebildet, billig also. Ich handle nicht mit Konkubinen, Lustknaben oder sonstigem Spielzeug. Was ich brauche, ist guter Rohstoff, den meine Akademie behauen, formen und polieren kann.«
»Schon verstanden. Laß uns morgen die Sklavenmärkte
besuchen. Ich bin sicher, du wirst eine ganze Schiffsladung voll flußaufwärts mitnehmen können. Ich könnte dein
Spürhund hier in Noviodunum sein und dich mit dem besten Material versorgen. Wenn wir schon davon sprechen, erst kürzlich trafen auf dem Sklavenmarkt zwei oder drei junge Frauen von einem Volk aus dem fernen Osten, den
Chinesen, hier ein. Klein, zartgliedrig und von gelber Haut -
überall! Ich frage mich, wie so zerbrechliche Wunderwerke solch eine lange Reise überstehen konnten. Doch billig waren sie nicht. Nur eine ist noch in der Stadt. Apostolides, Besitzer des besten Bordells in Noviodunum, hat sie
erstanden. Nach dem Abendessen werde ich dich dort
einführen. Du mußt sie erlebt haben! Das wird zwar nicht billig sein, aber ich versichere dir, es lohnt sich.«
Während wir uns an Austern, Spargel und mit eingelegten Pflaumen gefülltem Hasen, begleitet von cephalischem
Wein, gütlich taten, fragte ich Meirus, wie man hier im Osten Theoderichs Regentschaft über das ehemalige westliche
Reich beurteilte.
»Vai, nicht anders als die Könige und Edelmänner, die
Gemeinen und die Sklaven von hier bis nach Britannien sie beurteilen. Überall wird gesagt, daß unter ihm Rom endlich wieder an die friedlichen und prosperierenden Zeiten unter den fünf guten Kaisern, also von Nerva dem Freundlichen bis zu Marcus dem Goldenen erinnert. Und das ist
vierhundert Jahre her.«
»Es freut mich zu hören, daß er von so vielen geschätzt wird.«
»Sie schätzen seine Regierungskunst, nicht
notwendigerweise ihn selbst. Niemand hat vergessen, wie er Odoaker hinterrücks erschlagen hat. Man ist im allgemeinen der Ansicht, daß seine Berater nur auf Zehenspitzen gehen können, immer auf der Hut vor einem plötzlichen
Schwerthieb.«
»Balgsdaddja«, grollte ich. »Ich bin einer seiner engsten Berater und ich schleiche gewiß nicht auf Zehenspitzen herum.«
»Und dann gibt es noch jene, die ihn ganz offen um seine Erfolge beneiden. Unser Kaiser Anastasius zum Beispiel hat etwas gegen Theoderich. Der nörglerische Anastasius hat zwar gegen alles und jeden etwas, aber es ärgert ihn
ungemein, sich von einem Regenten in Rom überflügelt zu sehen.«
»Glaubst du, Anastasius wird ihm
Weitere Kostenlose Bücher