Der Greif
und blieb sein
lebenslanger Freund und Mentor. Der gute Symmachus
hatte schon Odoaker als Roms Urbis praefectus gedient, war ihm aber als Abkömmling einer edlen, reichen und
unabhängigen Familie auf keine Weise verpflichtet gewesen.
Theoderich beließ Symmachus im Amt, bis er einige Jahre später vom Senat zum Princeps Senatus, dem höchsten
Senatsmitglied, erhoben wurde und der Senator sich
entschied, sich von nun an ausschließlich diesem Ort zu widmen.
Auch Cassiodor Pater war, wie Symmachus, schon von
Odoaker eingesetzt worden. Theoderich behielt ihn ebenfalls im Amt, aus dem einfachen Grund, daß es dafür keinen
besseren gab. Eigentlich nahm Cassiodor die Aufgabe von zwei Beamten gleichzeitig wahr, einmal als Comes rei
privatae und als Comes sacrarum largitionum. Das
bedeutete nicht mehr und nicht weniger, als daß er allein für die gesamten Finanzen, Steuereinnahmen und Ausgaben
der Regierung verantwortlich war.
Cassiodor Filius, sein Sohn, war im gleichen Alter wie Boethius und wurde von Theoderich zu seinem Schreiber
und Schatzmeister bestellt. Er verfaßte die gesamte offizielle Korrespondenz und die zu veröffentlichenden Dekrete.
Cassiodors Stil war sehr blumig und wortreich - und das war auch der Grund, warum Theoderich ihn verpflichtet hatte.
Jene »non possumus«-Erklärung bezüglich der Religionen, die Theoderich in der ihm eigenen, direkten Art abgefaßt hatte, war so ablehnend aufgenommen worden, daß er es
aus politischen Überlegungen heraus für angebracht hielt, sich in seinen Erklärungen fürderhin einer hochtrabenden Sprache zu befleißigen.
Diese (und noch etliche andere) gelehrten und fähigen
Römer, bildeten eine Regierung von so viel Intelligenz, Belesenheit und Tatkraft, wie man es seit den goldenen Tagen des Marcus Aurelius nicht mehr erlebt hatte.
3
Mit fähigen römischen Männern in der Verwaltung und
verläßlichen gotischen Waffenbrüdern, die sich um die
inneren Belange des Reiches kümmerten, konnte
Theoderich schon früh seine Aufmerksamkeit auf die
Absicherung der äußeren Grenzen konzentrieren und
potentiell gefährliche Könige verwandtschaftlich an sich binden. Glücklicherweise war Theoderich mit heiratsfähigen weiblichen Verwandten reich versehen. Durch die
Vermählung seiner Tochter Arevagni mit dem Prinzen
Sigismund hatte er die herrschende Familie Burgunds an sich gebunden, und seine eigene Hochzeit mit Audefleda hatte ihn zum Schwager des fränkischen Königs Clovis
gemacht. Jetzt verheiratete er kurz nacheinander seine verwitwete Schwester Amalafrida mit dem Vandalen-König Thrasamund, seine jüngere Tochter Thiudagotha mit dem
Westgoten Alarich II. und seine Nichte Amalaberga mit
König Hermanafrid vom Volk der Thüringer.
Als Amalaberga sich auf den Weg in die nördlichen Lande von Thüringen machte, begleitete ich ihren Zug ein gutes Stück, denn ich wollte meinem Hof in Novae, den ich so lange vernachlässigt hatte, einen Besuch abstatten. Diese Reise, und weitere Reisen, die mich über die Jahre nach Novae führten, unternahm ich aus einem ganz bestimmten Grund. Überflüssig zu sagen, daß ich, da dieses Anwesen mein erstes richtiges Zuhause gewesen war, so etwas wie Heimweh verspürte und die Zeit dort stets genoß. Doch
abgesehen von solch sentimentalen Gefühlen führte ich
ganz pragmatische Absichten im Schilde.
Ich war mir sicher gewesen, meinen Besitz gut geführt, ertragreich und blühend vorzufinden, und wurde auch nicht enttäuscht. Meine freien Pächter und die Sklaven hatten sich in Abwesenheit ihres Herren nicht zum Müßiggang oder
Schlendrian hinreißen lassen. Der Hof war in glänzendem Zustand, und erfreut fand ich in den Aufzeichnungen meiner Verwalter viele Gewinne und nur wenige Verluste
verzeichnet. Und das war der Grund, aus dem ich
zurückgekommen war. Mit meinen fähigen Verwaltern und
Arbeitern wollte ich aus der Ausbildung und dem Verkauf von Sklaven ein Geschäft machen. Sklaven, die so geschickt und fähig wie meine eigenen waren.
»Meine Sklaven werden zu gut für Rom sein«, sagte ich zu Meirus. »Man wird mich noch anklagen, die Moral Roms zu untergraben.«
»Welche Moral?« lachte Meirus laut los.
Er war immer noch derselbe alte Schlamm-Mann.
Inzwischen mußte er wirklich alt sein, dachte ich, aber sein wallender Bart war tiefschwarz wie eh und je, und auch sein essigsaures Temperament war durch das Alter nicht milder geworden. Wenn sich überhaupt etwas an ihm verändert
hatte,
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