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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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zwischen ihm und Gelasius schwelte.
    »Mein König«, griff ich den Gedanken auf, »würde sich sehr glücklich schätzen, wenn er von Euch, Auctoritas, hören würde, daß Ihr und Erzbischof Akakios Eure
    Auseinandersetzung beigelegt habt.«
    »Ohne Zweifel würde ihn das beglücken«, fauchte
    Gelasius, »und seiner Anerkennung durch den Kaiser
    förderlich sein. Doch wozu braucht Theoderich das
    überhaupt noch? Hat ihn nicht erst gestern dieser
    kleingeistige, kriecherische, stiefelleckende Senat
    anerkannt? Ich sollte über jeden Christen im Senat den Kirchenbann verhängen. Sollte jedoch Theoderich mir einen Gefallen tun wollen, dann braucht er nichts weiter zu tun als meine Kritik an Akakios wegen dessen Laxheit hinsichtlich der verderblichen Monophysiten zu unterstützen.«
    »Auctoritas, Ihr wißt, daß Theoderich sich in religiöse Angelegenheiten nicht einmischt.«
    »Und ich weigere mich, in Angelegenheiten der Doktrin
    einem rangniedrigeren Bischof nachzugeben.«
    »Rangniedriger?« So taktvoll wie nur möglich wies ich
    darauf hin, daß Akakios schon über zehn Jahre Erzbischof gewesen war, als Gelasius erst in diesen Stand erhoben wurde.
    »Was fällt Euch ein, uns zu vergleichen? Konstantinopel und Rom? Das hier« - mit einer Handbewegung umfaßte er das Gebäude, in dem wir uns befanden - »ist die
    Mutterkirche des gesamten Christentums.«
    »Ist das«, fragte ich sanft, »auch der Grund dafür, warum Ihr Euch ein auffälligeres Gewand für die Liturgie zugelegt habt?«
    »Warum nicht«, schnappte er, als habe ich ihn scharf
    kritisiert. »Jene, die in ihrer Tugendhaftigkeit einmalig sind, sollten das auch im Reichtum ihrer Gewänder sein.«
    Ich schwieg, und er fuhr fort: »Auch meine
    Kardinaldiakone und Priester sollen, wenn sie ihrem Papst Ergebenheit beweisen, nach und nach mit schöneren
    liturgischen Gewändern belohnt werden.«
    Ich schwieg noch immer, also setzte er seinen Monolog
    fort: »Schon lange bin ich der Überzeugung, das
    Christentum - Gewänder, Rituale, Devotionalien - sei im Vergleich zu den heidnischen Religionen zu unscheinbar, zu farblos. Kein Wunder, daß die Heiden das Bauernvolk, das jede Belustigung und allen Prunk, der ein bißchen
    Abwechslung in sein armseliges Leben bringt, so leicht verführen können. Und die vornehmen Bürger, wie kann
    man von ihnen erwarten, Unterweisungen oder
    Ermahnungen von Priestern entgegenzunehmen, die
    aussehen wie gemeiner Bauernpöbel? Wenn das
    Christentum die heidnischen und häretischen Kulte
    übertrumpfen möchte, dann müssen unsere Kirchen,
    Priester und Zeremonien die ihren an Großartigkeit
    überbieten. So hat schon der Schutzheilige dieser Kirche, der Heilige Johannes, gesagt: ›Du hast den guten Wein
    bisher behalten.‹ Da es nichts gab, was ich hätte sagen können, um Gelasius' Opposition gegen seinen bischöflichen Bruder oder den Häretiker Theoderich zu besänftigen,
    verließ ich ihn, ohne ihn jemals wieder zu sehen.
    Als er ein Jahr später starb, weinte ich ihm keine Träne nach. Sein Nachfolger war ein weniger verbitterter Mann.
    Falls er und Akakios sich in Fragen der Kirchendoktrin unterschieden, dann gelang es ihnen, diese Differenzen zu überwinden. Die Tatsache, daß der neue Erzbischof von
    Rom den Namen Anastasius II. annahm, war meiner
    Meinung nach bloßer Zufall. Selbst wenn es Absicht
    gewesen sein sollte, glaube ich kaum, daß es dem Kaiser gleichen Namens in Konstantinopel sonderlich
    geschmeichelt hätte. Nichtsdestoweniger proklamierte der oströmische Kaiser Anastasius kurz darauf die Anerkennung von König Theoderich und übersandte ihm die kaiserlichen Insignien - das Diadem, die Krone, das Zepter, Reichsapfel und Wagen - jene kaiserlichen Insignien, die Odoaker Zenon vor dreizehn Jahren hatte aushändigen müssen.
    Theoderich blieb trotz der weltweiten Anerkennung seiner Regentschaft bescheiden. Er begnügte sich immer noch mit dem Titel des Flavius Theodericus Rex. Er nahm aber nie für sich in Anspruch, der König von irgend etwas zu sein, weder eines Landes noch eines Volkes. Weder auf den Münzen,
    die zu seiner Zeit geprägt wurden, noch auf den
    Widmungstafeln, die an vielen unter seiner Herrschaft
    errichteten Bauwerken angebracht wurden, ließ er sich als König darstellen, weder als König Roms noch Italiens, noch des westlichen Imperiums, ja, noch nicht einmal als der der Ostgoten. Theoderich zog es vor, seiner Herrschaft durch Taten und Werke Ausdruck zu verleihen.
    Als ich nach Rom

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