Der Greif
Schwierigkeiten
bereiten?«
»Nicht in nächster Zeit. Dringendere Angelegenheiten
beschäftigen ihn, zum Beispiel das Wiederaufleben des
ewigen Streits mit den Persern an den östlichen Grenzen.
Ne, Theoderichs Schwierigkeiten werden nicht von außen hereingetragen werden, sondern direkt unter seiner Nase ausgebrütet. Nicht ohne Absicht habe ich gesagt, er würde von hier bis Britannien bewundert, denn hier wie dort verfügt die katholische Kirche über wenig Einfluß. In Italien und den restlichen Provinzen jedoch, wo sie Einfluß hat, setzt sie alles daran, Theoderich in Verruf zu bringen und ihm das Leben schwer zu machen.«
»Ich weiß, ich weiß. Es ist schändlich. Warum können die Kirchenmänner ihn nicht einfach in Ruhe lassen, so wie er sie ihn Ruhe läßt?«
»Du hast es gerade gesagt. Eben weil er sie nicht
beachtet. Sie wären glücklicher, wenn er sie verfolgen, sie unterdrücken und verbieten würde. Nichtbeachtung ist für den Klerus ein viel bösartigerer Angriff als offene Verfolgung.
Er nimmt ihnen die Freuden und Ehren des Martyriums. Sie leiden, weil er sie nicht für das Heil ihrer Mutter Kirche leiden läßt.«
»Wahrscheinlich hast du recht.«
»Was noch schlimmer ist, er hat dem Klerus auf einem
Gebiet einen Rückschlag versetzt, wo er sich auf dem
Vormarsch wähnte.«
»Aber er hat doch gar nichts gegen die Kirche
unternommen.«
»Doch, sie erneut übergangen! Anastasius empfing die
Kaiserkrone, die purpurne Robe und die anderen Insignien des Östlichen Reiches aus den Händen des Erzbischofs von Konstantinopel. Anastasius lag hingestreckt zu seinen
Füßen, in der unterwürfigen Position demütigster Verehrung.
Und was hat Theoderich getan? Er hat sich den Thron
erobert, mit der Zustimmung der Massen, gewählt vom
römischen Senat. Im Gegensatz zu Anastasius hat er nicht einen Moment innegehalten, um den Segen Gottes oder
wenigstens den der Kirche zu erbitten. Kein Bischof der arianischen Kirche, von diesem sogenannten Papst ganz zu schweigen, hat ihn gekrönt. Das bedeutet für alle Bischöfe des Christentums einen Rückschlag, und ganz besonders
vergällt es die Seele dessen in Rom.«
Später führte mich Meirus in das Bordell. Das Mädchen
von China erwies sich als solch eine erlesene Köstlichkeit, daß ich halb versucht war, die Sklavenhändler der Stadt für mich nach einer Chinesin Ausschau halten zu lassen. Ihre Hautfarbe und ihr Körper waren so anders, sehr sanft, weich und glatt wie die Seide, die aus ihrem Heimatland zu uns kommt. Sie sprach keine menschliche Sprache, zwitscherte nur wie ein Vogel, ein Makel, den sie mit ihren sexuellen Talenten mehr als wettmachte. Sie war biegsam wie ein
Schlangenmensch - und so eng, wie ich es erwartet hatte, als ich ihren blütengleichen kleinen Mund erstmals erblickte.
Der Herr des Hauses, Apostodiles, versicherte auf meine Rückfrage, daß sie trotz ihrer engen Öffnung nicht, wie westliche Frauen gleicher Physiognomie, widerspenstig sei.
»Nicht im mindesten, Saio Thorn. Man hat mir gesagt, alle Frauen der Chinesen hätten kleine Münder, sowohl oben wie auch unten. Diese, so hat man mir bedeutet, hat einen
größeren Mund als die meisten. Also ist sie von besonders süßem und liebenswürdigem Wesen. Wer weiß, vielleicht
sind ihre schmalmündigeren Schwestern ebenso mißmutig
wie die Frauen hier? Aber, ah! Denkt nur daran, wie eng ihre unteren Öffnungen sein müssen.« Trotzdem entschloß ich mich schließlich, doch keine Chinesin für meinen
Privatgebrauch zu erstehen. Mein Geld war in weniger
frivolen Vergnügungen besser angelegt. So war mein Kahn, als ich Noviodunum verließ, schwer beladen mit Jungen und Mädchen von weniger exotischem Aussehen, größtenteils
Chasare sowie ein paar wenige Griechen und
Tscherkessen. Auf der langen Fahrt flußaufwärts blieb mir viel Zeit, mit ihrer Ausbildung zu beginnen. So beherrschten sie schon die Grundlagen der lateinischen Sprache, als ich sie der Obhut und Sorge meiner Lehrmeister in Novae
übergab.
Auf der inzwischen begradigten und ausgebesserten Via
Popilia kehrte ich nach Ravenna zurück, das viel
ansehnlicher war als früher. Caesarea, die Vorstadt der Arbeiter, zuvor ein schäbiges und verdrecktes Loch, war gesäubert worden. Das Aquädukt versorgte noch die vor
kurzem ausgetrockneten Brunnen und Fontänen mit
Trinkwasser. Und als ob der Fluß des Wassers auch die
Steine, Ziegel und Kacheln zum Wachsen verleitet hatte, wuchsen an vielen
Weitere Kostenlose Bücher