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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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andere eines der struppigen Zhmud-Pferde, dessen Sattel und Zügel noch abgenutzter waren als das Pferd selbst.
    »Wir müssen immer noch sehr vorsichtig sein«, flüsterte Wyrd mir zu. »Doch sobald wir außer Hörweite sind,
    galoppieren wir so schnell wie möglich los. Die Hunnen werden sich vorerst mit Fabius vergnügen, so daß es noch eine ganze Weile dauern wird, bis sie sich fragen, wie er trotz der Wachen überhaupt bis dahin durchkam.«
    Er setzte den kleinen Jungen auf Velox' Sattel und sagte zu ihm: »Du bist bis jetzt sehr brav und mutig gewesen, Calidius. Wenn du so bleibst und schön leise bist, werden wir bald zu Hause sein.«
    »Und meine Eltern?« fragte der Junge und runzelte die
    Stirn angesichts dessen, was er gesehen hatte, bevor ich ihm die Augen zuhielt. »Kommen sie nach?«
    »Früher oder später, Junge, kommen wir alle heim. Nun
    schweig und freu dich auf den Ritt.«
    Schnellen, doch leisen Schritts führten Wyrd und ich
    unsere Pferde am Zügel in Richtung Westen. Zuerst dachte ich, wir würden einige Umwege machen, um eventuelle
    Verfolger zu verwirren, doch wir gingen immer weiter
    geradeaus in westlicher Richtung, und schließlich fragte ich Wyrd, warum wir nicht zu den Kähnen zurückgingen. »Weil die sicher nicht mehr da sind«, knurrte er. »Zumindest können wir nicht davon ausgehen, weil Fabius die
    Bootsleute allein zurückgelassen hat. Deshalb gehen wir zum breiteren, seichteren, nördlichen Lauf des Rheins, wo er langsamer fließt und wo wir und die Pferde
    hinüberschwimmen können. Wir müssen es zum Westufer
    schaffen, bevor uns die Hunnen einholen, denn sie werden es nicht wagen, uns bis in die Nähe der Garnison zu
    verfolgen.«
    Nach kurzem Schweigen sagte ich: »Fabius war zwar
    töricht, aber er war auch tapfer.«
    »Ich weiß«, seufzte Wyrd. »Seine Ankunft überraschte
    mich nicht. Ich konnte nur hoffen, daß du die Kinder
    ausgetauscht hattest, bevor er kam und alles durcheinander brachte. Doch, bei Wotan, du hast gute Arbeit geleistet, Bursche.«
    Ich kletterte auf einen Baumstumpf, um in den Sattel zu kommen, und Calidius rückte nach hinten auf sein Kissen und schlang seine Arme um mich, wie Becga es getan hatte.
    Wyrd schwang sich wieder von ebener Erde aus in den
    Sattel, und so altersschwach sein Pferd auch aussah, es reagierte auf seine Sporen sofort, fiel in einen schnellen Galopp und behielt dieses Tempo unermüdlich bei.
    Wir begegneten keinen Hunnen mehr. Schließlich kamen
    wir an eine Stelle des Rheins, an der das Ufer sanft abfiel und das Wasser von der schwachen Strömung nur wenig
    aufgewühlt war. Wir legten eine Pause ein, versorgten uns und die Pferde mit Wasser und ließen die Tiere grasen.
    Dann zogen wir weiter, und ich überquerte zum ersten Mal in meinem Leben schwimmend einen Fluß. Obwohl ich oft in den Kaskadenteichen in Balsan Hrinkhen gebadet und vor dem Wasser keine Angst hatte, traute ich es mir nicht zu, den Rhein zu überqueren, den ich an dieser Stelle auf
    mindestens zwei Stadien breit schätzte. Wyrd zeigte mir, was ich zu tun hatte. Er setzte Calidius auf meinen Sattel, bat ihn, sich festzuhalten, und setzte den Adler auf seine Schulter. Dann führte er sein Pferd am Zügel ins Wasser, und ich folgte seinem Beispiel. Offenbar war dies keine neue Erfahrung für Velox und den Zhmud-Gaul, denn sie
    wieherten nicht.
    Als wir nach und nach untertauchten, hielten Wyrd und ich uns nicht mehr an den Zügeln, sondern an den Schwänzen der Tiere fest.
    Wir ließen uns von den Tieren ziehen, und sie
    schwammen viel kräftiger und ausdauernder, als ein Mensch es hätte tun können.
    Am anderen Ufer suchten sich die Pferde sogar selbst
    eine Stelle aus, wo sie Fuß fassen konnten, und Wyrd und ich konnten ihnen leicht aus dem Wasser folgen. Wieder auf trockenem Boden, schüttelten wir uns alle wie nasse Hunde, und während die Pferde ruhten, rannten Wyrd, Calidius und ich am Ufer auf und ab, um uns aufzuwärmen. Als wir dann schließlich wieder aufsaßen und stromaufwärts nach Basilia ritten, ließen wir uns Zeit, denn nun hatten wir von den schrecklichen Hunnen nichts mehr zu befürchten.
    9
    Nachdem der Legat Calidius seinen Enkelsohn, der seinen Namen trug, umarmt und liebkost hatte und ihn dann mit seinen Kindermädchen fortschickte, damit er gewaschen
    und mit einer Mahlzeit versorgt würde, erzählte ihm Wyrd eine barmherzige Lüge: »Euer Sohn Fabius starb aufrecht, Clarissimus, er war bis zuletzt ein römischer Soldat.« Dann sprach

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