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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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mit Dreck, damit ihr in der Dunkelheit nicht so auffallt. Wenigstens ihr zwei werdet im Notfall wie Hunnen aussehen, was mir mit diesem Bart nicht möglich ist.«
    »Was meint Ihr mit Notfall ?«
    »Daß ich vielleicht nicht zurückkomme. Sollte mich einer der Posten erwischen, bevor ich ihn kriege, wird es einen Aufruhr geben. Das nutzt Ihr dann aus, um unbemerkt zu fliehen. Oder um die Geiseln zu retten, wenn du das
    schaffst.«
    »Jesus!« Ich schnappte nach Luft. »Ich hoffe, daß es
    soweit nicht kommt!«
    »Ich auch«, meinte Wyrd trocken. Und er machte sich
    davon.
    Mit meinem Schwert wühlte ich die Erde auf, zerbröselte die Erdklumpen, vermischte sie mit Wasser aus meiner
    Feldflasche und verrührte alles zu Dreck. Ich bestrich Becgas Gesicht und er meines, und damit waren auch
    unsere Hände schmutzig genug. Wir waren am Ende zwar
    nicht genau von derselben Farbe wie die Hunnen, doch
    immerhin waren wir in der Dunkelheit etwas schwerer zu erkennen. Ich befahl Becga, er solle hinter mir gut Ausschau halten, aus Furcht, daß irgendein herumstreunender Hunne auf uns aufmerksam werden und uns aus dem Hinterhalt
    überfallen könnte, dann konzentrierte ich mich darauf, das Lager zu beobachten.
    Die Zeit verging und sie erschien mir recht lang, doch nichts passierte, was die allgemeine Aufmerksamkeit erregt hätte, und alles blieb ruhig. Aber plötzlich schraken mein Juikabloth und ich zusammen, als Becga mir durch eine
    leichte Berührung bedeutete, daß jemand in der Nähe sei.
    Ich hätte vor Erleichterung fast laut aufgeschluchzt, als es Wyrd war.
    »Es waren fünf«, flüsterte er, als er sich neben mir
    ausstreckte. »Mehr Wachen werden normalerweise für ein Lager dieser Größe nicht aufgestellt. Ich gehe davon aus, daß ich sie alle erwischt habe.«
    Ich konnte ihn nur bewundernd anstarren. Dieser alte
    Mann hatte soeben schnell und leise sechs bewaffnete,
    wachsame und blutrünstige Wilde umgebracht, und er zeigte keinerlei Spuren von
    Anstrengung. Ungeduldig fragte er: »Nun? Was hat sich
    hier getan?«
    Ich wies mit der Hand auf die Hütten und sagte: »Bei den meisten gingen zumindest ein oder zwei Hunnen aus und
    ein. Aber bei der Hütte dort drüben am Hügel, die am
    weitesten von uns entfernt ist, öffnete sich die Tür nur ein Mal, und zwar von innen. Jemand lehnte sich hinaus, ich glaube, es war eine Frau, und reichte einem anderen
    Hunnen, der gerade vorüberkam, eine Art Napf. Der füllte ihn mit Kohlen aus einem der Feuer, gab sie der Frau
    zurück, und seither wurde die Tür nicht mehr geöffnet.«
    »Das war eine Kohlenpfanne, die dazu dient, die Hütte
    warmzuhalten«, sagte Wyrd. »Und die Hütte liegt am
    weitesten vom Pfad entfernt. Das muß sie sein. Gute Arbeit, Bursche. Wir werden uns jetzt zu dem Hügel hinter der Hütte schleichen.«
    Da Wyrd das Tal schon einmal umrundet hatte und es
    keine Wachen mehr gab, die uns hätten aufhalten können -
    zwei davon sahen wir leblos im Gebüsch liegen - kamen wir recht schnell ans Ziel. Dennoch war die Nacht nun schon weit fortgeschritten, und es kam mir so vor, als würde der Himmel im Osten bereits heller. Auf dem Hang hinter der Hütte, in der wir die Geiseln vermuteten, legten wir drei uns wieder auf den Bauch und beobachteten, was sich um die Hütte herum abspielte.
    Ab und zu ging ein Hunne mit einem Armvoll Feuerholz
    oder Heu an der Hütte vorbei.
    Wyrd murmelte, mehr zu sich selbst als zu mir: »Ich
    glaube nicht, daß mehr als zwei Wachen auf die
    Gefangenen achtgeben. Der Anführer der Horde, seine
    besten Krieger und der soeben eingetroffene Bote werden sich alle in anderen Hütten aufhalten und ihren Erfolg feiern.
    Doch wir sollten uns vergewissern: Du gehst hinunter und versuchst durch die Ritzen in der Wand der Hütte etwas zu erkennen. Ich werde inzwischen auf deinen Adler
    aufpassen.«
    »Was? Aber da unten wimmelt es von Hunnen!«
    »Wie ich schon sagte, könnte das unser Vorteil sein. In der Dunkelheit fällst du nicht auf. Geh!«
    Nicht sonderlich begeistert rutschte ich bäuchlings den Hang hinunter, wartete, bis alles ruhig war, stand dann auf und schlenderte gemächlich auf die Hütte zu.
    Ich schlich nahe an der Hüttenwand entlang und spähte
    durch eines der vielen Löcher. Im Licht der glühenden
    Kohlen konnte ich zumindest erkennen, wie viele Menschen in der Hütte waren. Als ich ohne Schwierigkeiten wieder bei Wyrd und Becga ankam, berichtete ich: »Fräuja, Ihr hattet recht. Nur eine Frau paßt auf die

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