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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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hinaus auf die Lichtung, als würdet Ihr vor dem Feuer fliehen.«
    »Aber...« sagte sie und hielt inne, denn sie hatte unseren Plan sofort begriffen. Sie schloß die Augen, schluckte ein oder zwei Mal, und ich konnte sehen, wie ein Zittern über ihren fast nackten, schwangeren Leib lief. Doch dann öffnete sie die Augen, sah mich mutig und entschieden an und
    sagte: »Paßt gut auf Calidius auf.«
    »Das verspreche ich Euch. Doch geht jetzt«, antwortete ich, weil das Feuer nun so lichterloh brannte, daß wir alle vor der Hitze zurückwichen.
    Sie verweilte noch lange genug, um ihren Sohn zu
    umarmen und zu küssen, legte dann einen Arm um den
    Charismaten, verweilte nochmals, um auch diesen zu
    küssen, bevor sie mit dem Jungen über die tote Wache stieg und zum Türschlag hinausstürzte. Weil dieser danach noch einige Male auf- und zuschlug, nahm ich wahr, daß einer der Hunnen draußen genug Geistesgegenwart besaß, um
    Placidia und Becga zu ergreifen und festzuhalten.
    »Juikabloth«, rief ich leise, und der Vogel kam bereitwillig, denn es lösten sich nun schon Funken vom Dach. Ich führte Calidius an der Hand durch die Lücke, die ich in die Wand der Hütte geschlagen hatte. Wie zu erwarten, war hinter der Hütte niemand zu sehen, doch der Tag war nicht mehr fern, und die Senke war nicht zuletzt von den beiden brennenden Dächern so hell erleuchtet, daß ich Angst hatte, gesehen zu werden, wenn wir uns den Hang hinaufarbeiteten. Deshalb zog ich den Jungen am Arm hinter einen dicken Baum. Von dort aus konnte ich gut beobachten, was auf der Lichtung vor sich ging, während ich auf Wyrd und dessen weitere Instruktionen wartete.
    Der Tumult auf der Lichtung war plötzlich zum Chaos
    geworden, denn ein Reiter war in das Lager galoppiert und schwang heftig und zielbewußt seine Streitaxt. Er hatte bereits zwei Hunnen niedergestreckt, als ich entdeckte, daß es nicht Wyrd war.
    Es war der Optio Fabius, wer sonst, und er ritt nicht den Braunen, auf dem er Basilia verlassen hatte. Er ritt meinen schwarzen Hengst, weil dessen Sattel mit einem Kissen
    ausgestattet war, auf welchem Fabius seine Gemahlin und seinen Sohn in die Freiheit Zu entführen hoffte. Doch das war eine trügerische Hoffnung, und er war ein Narr
    gewesen, uns zu folgen. Hätte Wyrd nicht schon alle
    Wachen im Umkreis beiseite geräumt, wäre der Optio schon längst tot gewesen. Und nun war er trotz der von Wyrd
    vorbereiteten Ablenkungen und trotz des Vorteils eines Überraschungsangriffs schlicht der Unterlegene.
    Er mag zwar ungeduldig, hitzig und auch töricht gewesen sein, aber er war durchaus auch tapfer. Soweit ich sehen konnte, streckte er während seines Galopps über die
    Lichtung zwei weitere Hunnen nieder, bevor etwas geschah, was ihm Einhalt gebot. Der Hunne, der die beiden
    Gefangenen festhielt, warf Becga zu Boden und stellte einen Fuß auf ihn, um einen Arm frei zu haben. Mit diesem zog er sein Schwert und legte dessen Schneide an Placidias Kehle, während er ihren Kopf an den Haaren nach hinten zog. Alle drei waren vom Schein der brennenden Hütte so gut
    beleuchtet, daß Fabius sie sah. Er zugehe Velox abrupt, und das Pferd bäumte sich auf. Was der Optio als nächstes
    getan hätte, sollten wir nie erfahren, denn die Hunnen nutzten den Augenblick, in dem er aus dem Gleichgewicht war, seine Axt nicht schwingen oder sich sonstwie
    verteidigen konnte, und warfen sich auf ihn. Sie gebrauchten keine Waffen, sondern zogen Fabius mit vereinten Kräften vom Sattel, während sie Velox unversehrt laufen ließen.
    Als Fabius auf der Erde lag und gegen die Horde von
    Wilden auf ihm ankämpfte, nahm der Hunne, der Placidia hielt, die Schneide von deren Kehle, aber nur so weit es nötig war, um mit dem Schwert auszuholen. Es muß die
    weibliche Hälfte meiner Natur gewesen sein, die mich dazu veranlaßte, instinktiv und ohne zu zögern die Hand über die Augen des kleinen Calidius zu legen. Und während der
    folgenden Ereignisse ließ ich meine Hand auch dort.
    Dann schrie ich selbst fast vor Entsetzen auf, als sich plötzlich von hinten eine schwere Hand auf meine Schulter legte. Es war Wyrd, der sehr müde und fast melancholisch auf die Szene blickte, die sich vor unseren Augen abspielte.
    »Pluto würde aus der Hölle emporfahren, um dies zu
    sehen«, murmelte er, und dann bat er Calidius und mich, ihm zu folgen.
    Wir schlichen geduckt um die Lichtung herum, wo Wyrd an einem Baum zwei Pferde festgebunden hatte. Das eine war mein Velox, das

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