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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Gefangenen auf; sie ist wach und stochert in den Kohlen. Eine andere Frau und ein Kind sitzen in Felle eingehüllt auf der Erde und schlafen anscheinend. Ich hatte den Eindruck, daß sie nicht gefesselt sind. Außer einem Wasserkrug und einigen Matten befindet sich nichts weiter dort. Die Hütte ist übrigens kein
    unbezwingbares Gefängnis. Die Wand besteht aus Stecken, die mit Lederriemen zusammengebunden sind. Ich könnte
    leicht ein Loch hineinschneiden, das für mich groß genug wäre. Nur würde die Wache dann nicht sofort Alarm
    schlagen?«
    »Nicht, wenn man sie ablenkt. Wenn das Reisigdach einer der Hütten plötzlich in Flammen aufgeht, dürfte das einige Unruhe verursachen, auch wenn die Hunnen denken es
    handle sich nur um einen Unglücksfall. Du und der Eunuche, ihr geht jetzt wieder hinunter. Ihr schlendert herum, entfernt euch aber nicht von der Hütte und wartet, bis ich den Aufruhr organisiert habe.«
    »Wir dürfen aber nicht zu lange warten«, gab ich zu
    bedenken. »Es wird bald Tag.«
    »Väi! Ich kann mich nicht so sorglos bewegen, weil ich mich unter den Hunnen nicht so leicht verstecken kann wie ihr, doch ich werde mich beeilen. Wie dem auch sei: sobald sich das Lager in Verwirrung befindet, tut ihr folgendes...« In sehr wenigen Worten sagte uns Wyrd, was wir zu tun hatten, setzte mir den Adler auf die Schulter, und dann war er auch schon verschwunden. Wie vereinbart, schlitterten Becga und ich den Hang hinunter, standen auf und schlenderten kühn und krummbeinig hinter der Hütte hin und her.
    Auf einmal wurde aus dem Licht auf der
    gegenüberliegenden Seite der Senke ein lebhaftes Rot, und ich konnte das Knacken brennenden Buschwerks hören, das bald von Stimmengewirr und dem Geräusch schneller
    Schritte übertönt wurde. Rasch zog ich mein Schwert, zerrte Becga an die Rückseite der Hütte und spähte wieder durch die Ritzen in der Wand. Die Hunnin ging von der
    Kohlenpfanne auf den Türschlag zu, hob ihn und lugte
    hinaus. Ich blickte ihr über die Schulter und konnte die Hunnen wie wild "erumrennen sehen. Das Dach der jenseits der Senke gelegenen Hütte brannte fröhlich. So leise und so schnell ich konnte, durchschnitt ich die Lederriemen, die die Wand der Hütte zusammenhielten, und zog dann das lose
    Holz hinaus.
    Es dauerte nicht lange, und in der Wand war ein großes Loch, durch das ich mich in die Hütte zu zwängen versuchte, während ich Becga hinter mir herzog. Wir hielten kurz inne, weil sich seine Kleider im trockenen Gezweig verfangen hatten, und trotz des Lärms draußen hörte uns die Hunnin.
    Sie ließ den Türschlag fallen, drehte sich um und öffnete den Mund wie zu einem Schrei. Da ich zu weit von ihr entfernt war, um sie niederzustrecken, keuchte ich »Släit!«, und mein Juikabloth flog auf sie los.
    Die Hunnin wich ihm aus und schrie nicht, so daß ich Zeit hatte, vollends in die Hütte einzudringen, auf sie zu stürzen, mein Schwert zu schwingen und ihr die Kehle
    durchzuschneiden.
    Die Geiseln waren inzwischen natürlich wach geworden
    und wimmerten, als sie sich aus den stinkenden Fellen
    schälten, mit denen sie zugedeckt gewesen waren.
    Schnell kniete ich mich neben die Frau und legte ihr die Hand auf den Mund. Becga tat dasselbe mit Calidius.
    »Clarissima Placidia, wir sind Freunde und kommen, Euch zu helfen«, flüsterte ich, als sie sich verzweifelt mit den ihr noch verbleibenden Fingern an meine Hand klammerte.
    »Schreit jetzt nicht. Wenn es überhaupt Rettung geben soll, müßt Ihr meinen Anweisungen genau Folge leisten. Gebt
    das an Euren Sohn weiter.«
    Es mußte ihr Vertrauen erweckt haben, daß ich Lateinisch sprach. Sie nickte, ich gab sie frei, und sie forderte den kleinen Calidius auf, meinen Befehlen zu gehorchen.
    Ich sagte zu Becga: »Zieh' deinen Überwurf und deine
    Stiefel aus.« Dann wandte ich mich an die Frau: »Placidia, helft Eurem Sohn schnell in die Kleider und Schuhe.«
    Dann waren wir alle hektisch beschäftigt, weil ich während des Tausches noch Becgas Gesicht mit Wasser aus dem
    Krug waschen und gleichzeitig etwas von dem Dreck auf
    Calidius' Gesicht schmieren mußte.
    Dann bückte ich mich nach einem der Felle, die auf dem Boden lagen. Ich wickelte es mir um die Hände und hob die Kohlenpfanne gegen das trockene Reisig, mit dem die Hütte gedeckt war. Es fing sofort an zu brennen. »Placidia, sobald das gesamte Dach brennt, nehmt Ihr Euren Sohn - oder
    vielmehr dies Kind, das die Stelle Eures Sohnes einnehmen wird - und rennt

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