Der Greif
Gudinand, zeigte es von dem häufigen An- und Ablegen deutliche Abnutzungserscheinungen. Ich besaß genügend Geld, mir neue Gewänder zu kaufen - und mußte auch nicht länger vorgeben, sie für irgendeine
Geliebte zu erstehen. Damit mir meine Kleidung auch
wirklich gut stand und richtig paßte, begab ich mich als Juhiza in die Geschäfte jener Tuchhändler, die für vornehme Familien arbeiteten. Schäbig gekleidet, wie ich war, wurde ich dort eher reserviert empfangen. Aber da ich die
Verkäufer so herablassend behandelte, als ob ich einer hochgestellten Familie entstammte, und darauf bestand, nur Gewänder bester Qualität vorgelegt zu bekommen,
verbeugten sie sich alsbald untertänigst vor mir. Während dieser Ausflüge in die Stadt erwarb ich drei neue, mit exquisiten Stickereien verzierte Kleider und dazu
verschiedenes modisches Beiwerk wie Kopftücher und
Sandaletten sowie Haarnadeln, Bänder und Spangen, um
meine Haare auf verschiedene Weisen frisieren zu können.
Ich wiederhole: Meine Ausflüge als Juhiza waren selten genug. Und doch war es einmal zuviel.
Dieses eine Mal verließ ich gerade den Laden eines
Salbenhändlers, wo ich meine Vorräte an kosmetischen
Salben und Pudern aufgefüllt hatte, als ich eilig
näherkommende Schritte und den Ruf »Platz! Platz dem
Legaten!« vernahm. Die Menge machte hastig den Weg frei.
Ich selbst zog mich, als die liburnische Sänfte auftauchte, in die Eingangstüre des Salbenhändlers zurück. Nicht weit von mir entfernt blieben die Sklaven stehen und setzten die Sänfte vorsichtig ab. Eine außergewöhnlich schöne Frau und ein überaus unansehnlicher junger Mann stiegen aus.
Es war natürlich der rüpelhafte Jaerius, Sohn des Dux
Latobrigex, und in der Frau erkannte ich, zu meinem größten Erstaunen jene Robeya, die ich aus den Frauenbädern
kannte. Sofort wurde mir klar, daß sie die »Drachen«-Mutter des Flegels sein mußte.
Ich hätte mein Gesicht bedecken oder mich abwenden und unauffällig zurückziehen sollen. Aber ich blieb stehen, starrte sie an und dachte mir: Nun, offensichtlich konnte selbst eine Frau mit Robeyas speziellen Neigungen heiraten - sogar ein Mitglied der lokalen Nobilität. Sie mußte zumindest einmal lange genug still gehalten haben und ihrem Gatten zu Willen gewesen sein, um sich von ihm schwängern zu lassen. Kein Wunder, daß diesem vertrockneten und lieblosen Leib der hinterhältige und nicht im geringsten liebenswerte Jaerius entsprungen war.
Aber ich blieb zu lange sinnend stehen und Robeya
erblickte mich. Wir hatten einander niemals anders als nackt gesehen, aber sie hatte mich ebenso schnell wiedererkannt wie ich sie. Ihre Augen wurden weit, verengten sich wieder, und sie beugte sich zu ihrem Sohn hinüber, den sie anstieß und dann auf mich deutete. Dabei sprach sie hastig auf ihn ein. Was sie sagte, konnte ich nicht hören, aber ich sah, daß sich seine Augen ebenfalls verengten und er mich von oben bis unten musterte, so als ob sie ihm geboten hätte, sich jedes Detail von mir einzuprägen. Endlich raffte ich mich auf und ging gemäßigten Schrittes in die entgegengesetzte
Richtung. Kaum hatte ich die erste Querstraße erreicht, da bog ich ab und suchte so rasch wie möglich, ohne dabei unziemlich schnell zu rennen, das Weite. Nur einmal wandte ich mich um, sah aber weder Jaerius noch Robeya mich
verfolgen.
Ich war froh, meine Kammer ohne weitere Zwischenfälle
zu erreichen und erleichtert, einer womöglich häßlichen Szene entkommen zu sein. Ich verstaute meine Einkäufe
und legte eilig die Gewänder Juhizas ab. Im stillen schwor ich mir, niemals mehr bei Tage als Juhiza auszugehen. Und diesen Schwur hielt ich. In der nächsten Zeit ging ich nur als Thorn in die Stadt oder traf mich mit Gudinand zu unseren jungenhaften Spielen und sportlichen Wettkämpfen. Doch mit der Zeit verflüchtigten sich meine Bedenken wieder etwas. Als Gudinand mir dann beichtete, daß er wieder
einen Anfall erlitten hatte, war es nur mit einem Minimum an Beklommenheit verbunden, daß ich mich für eine erneute Behandlung wieder in Juhizas Gewänder kleidete.
»Mein Freund«, sagte ich, »ich fürchte, dies muß das
letzte Mal sein. Der Herbst kommt, und Wyrd, unser
Beschützer, kann jeden Tag zurückkehren. Außerdem... , falls die Behandlung bisher nicht angeschlagen hat...«
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Gudinand erschöpft und resigniert. »Trotzdem, wenigstens werde ich dieses eine Mal noch haben...«
Als ich mich
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