Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
geprägt von kräftigen Knochen. Der Kopf war arrogant zur Seite gelegt. Und sein Schatten, den Tehre jetzt mit den ersten Regungen von Erstaunen und Bestürzung wahrnahm – dieser vom Licht des Lagerfeuers und Mondes gestaltete Schatten bauschte sich riesig und seltsam hinter ihm auf; er war keineswegs dunkel, sondern eine feurige Erscheinung im matten Licht. Und es war ganz und gar nicht der Schatten eines Menschen. Flammenfedern hoben sich und flatterten um den Kopf und den langen, eleganten Hals des Schattens; und die Augen waren schwarz wie Kohlen im Zentrum eines Feuers.
Aber andererseits war, wie sie bemerkte, nichts an diesem Mann wirklich menschlich, abgesehen von der Gestalt, die er wie einen Mantel trug.
Fürst Bertaud trat vor, um den Fremden zu begrüßen, und Tehre reagierte verwirrt auf das, was sie dabei seinem Gesicht entnahm: Freude und Erleichterung, aber auch Zorn und eine seltsame Art von Grauen – eine merkwürdige und vielschichtige Mischung von Emotionen, die eigentlich widersprüchlich waren und doch in diesem Fall wie aus einem Guss wirkten. Auffälligerweise fehlte dabei jedoch das Erstaunen, wie sie dachte. Er sagte scharf und hitzig, als antwortete er auf eine Herausforderung oder setzte einen Streit fort: »Ich habe dich nicht gerufen!«
»Du hast mich in deinen Träumen gerufen«, entgegnete der Fremde. »Ich habe meinen Namen in deinen Träumen gehört. Du hast mich mit deinen Absichten gerufen.« Seine Stimme klang genau so, wie Tehre es auch erwartet hätte: rau, zornig, fordernd. »Ich bin gekommen, damit du es nicht für nötig hältst, mich laut zu rufen. Warum treffe ich dich hier so weit von deinem eigenen Land entfernt an, Mensch, wenn nicht, um dich zwischen die Menschen und das Volk von Feuer und Wind zu stellen?«
Der Fürst aus Farabiand antwortete nicht darauf.
Der Greifenmagier – er war eindeutig ein Greif, und wenn er Menschengestalt trug und einfach so aus dem Wind auftauchen konnte, war er gewiss auch ein Magier ... Dieser Mann, der nichts von einem Menschen hatte, wartete eine lange, endlose Weile lang. Schließlich sagte er: »Warum sonst treffe ich dich auf dieser Straße an, wenn du nicht unterwegs zu der neuen Wüste bist, die wir erzeugt haben? Und was planst du dort zu tun? Was hat dir der König von Casmantium angeboten, um dich ungeachtet all deiner Schwüre als Bundesgenossen gegen uns zu gewinnen?«
»Ich bin kein ... «, legte Fürst Bertaud entrüstet los, hielt dann jedoch schwer atmend inne und fragte anschließend: »Was tut dein Volk eigentlich im Norden?«
»Wir brechen die Macht Casmantiums«, antwortete der Greifenmagier rau. »Hätten wir vielleicht warten sollen, bis eine weitere Kohorte Kaltmagier ausgebildet wird? Bis Casmantium uns erneut in unserer Wüste angreift und uns nach Belieben umbringt? Sollen wir das ganze Land des Feuers dem weichen Wind, der fahlen, bleichen Sonne, dem stählernen Pflug und dem wachsenden Korn, den Steinwällen und Straßen der Menschen überlassen? Ich denke nicht. Unser feuriger Wind wird zwischen den Bergen des Nordens singen; wir weiten unser Land nach Osten aus, bis unterhalb des Bergsees. Wir werden die großen Flüsse Casmantiums in trockenen Staub verwandeln; seine gezähmten Felder werden rissig sein und verdorren. Der Arobarn hat Eis und Erde auf uns geschleudert; wir antworten mit Wind und Feuer. Soll er ruhig zehntausend Soldaten gegen uns ins Feld schicken: Er wird feststellen, dass wir selbst für den kältesten Stahl unempfindlich geworden sind. So werden alle Menschen sehen, dass das Volk des Feuers stark ist und gefährlich wird, wenn man es verletzt.«
Tehre wurde sofort klar, was aus Casmantium würde, wenn der Teschanken austrocknete: Verdorrte Felder würden nur der Anfang sein. Benommen vor Grauen schwankte sie und streckte eine Hand aus, aber sie fand nichts als die Luft, um sich festzuhalten. Der Greifenmagier wandte ihr das Gesicht zu, eine abrupte vogelhafte Bewegung. Sein grimmiger Blick fand sie in der Dunkelheit; und sie stand wie gebannt vor diesem schwarzen verächtlichen Blick, wie ein Maus unter den grausamen Augen eines jagenden Falken erstarrte, unfähig, den Blick abzuwenden oder sich zu bewegen.
»Nein!«, rief Fürst Bertaud mit scharfer Stimme. Er trat schnell an ihre Seite, packte sie schützend am Arm und blieb an ihrer Seite stehen.
Tehre war durch seine Berührung oder Stimme irgendwie befreit worden; sie blinzelte und schauderte. Der Fürst aus Farabiand
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