Der Greifenmagier 2 - Land des Feuers
unerbittlich und streckte die Hand am Mädchen vorbei aus, um die Kutschentür zu öffnen; der Fahrer hatte inzwischen auf Befehl des Fürsten das Gefährt angehalten. »Und sag ihnen, sie sollten sich nicht die Mühe machen und uns folgen! Nicht mal der Agent des Arobarn hat ein Recht, Fürst Bertaud aufzuhalten, und sie sollten es sich gründlich überlegen, ob sie ihn kränken möchten, indem sie versuchen, mich aufzuhalten. Und ich kehre ohnehin nicht um. Erinnere sie daran, was ich mit der Straße gemacht habe!«
»Ich denke, das wird gar nicht nötig sein«, wandte Mairin mit zittriger Stimme ein. »Ich finde, du hast recht; ich denke, der Herr Magier hätte dich auffordern sollen, ihn zu begleiten. Vielleicht den hochverehrten Gerent außerdem, aber er hätte dich auf jeden Fall auffordern sollen. Wenn du denkst, du solltest jetzt nach Norden fahren, dann bin ich auch davon überzeugt. Hochverehrte Dame – möge dich das Glück auf allen Wegen begleiten! Ich werde denen genau das sagen, was du vorgeschlagen hast. Nur, wenn im Norden wirklich etwas Schreckliches passiert, dann bringe es in Ordnung – bitte bringe es in Ordnung! Auch meine Familie lebt im Norden, wie du weißt!«
Tehre fiel es tatsächlich wieder ein, als Mairin sie jetzt daran erinnerte, und sie wurde rot, weil sie die Gedächtnisstütze gebraucht hatte. Sie nickte wortlos, und das Mädchen stieg aus ... vorsichtig, denn die Straße war an dieser Stelle uneben und rissig. Fürst Bertaud beugte sich vor und klopfte kräftig an die Rückwand des Kutschbocks, und der Fahrer hob erneut die Zügel und trieb die Pferde an. Nicht zum Galopp. Nur zu einem versammelten Trab. Denn man war ja nicht auf der Flucht vor irgendjemandem. Hätte man fliehen müssen, dann wäre die Fähigkeit zum eigenständigen Handeln schon verloren gewesen.
Sie brauchten jedoch nicht zu fliehen. Niemand folgte ihnen, nicht einmal Fürst Bertauds eigene Gefolgsleute und Dienstboten.
Es wurde fast schon dunkel, als sie endlich anhielten, was sie weder an einem Bauernhaus noch einer Lagerstätte taten. Sie fuhren einfach von der Straße und hinter einen kleinen Bestand von Eichen und Hickorybäumen. Das taten sie nicht aus Angst vor Verfolgern, wie Tehre wusste. Der Grund war lediglich, dass Fürst Bertaud keinerlei Gesellschaft suchte. Tehre ebenfalls nicht.
Sie hatte den Einbruch der Abenddämmerung kaum bemerkt, denn sie hatte über Schaffensgabe und Zauberkunst nachgedacht, auch über Risiken und Verrat, und dabei die Zeit ganz vergessen. Nachdem sie angehalten hatten, vertrat Tehre sich zunächst die Beine, während der Fahrer die Pferde versorgte und Fürst Bertaud ein Lagerfeuer entfachte. Niemand sprach viel. Der Fahrer brachte Brot und harte Würste aus seinem persönlichen Proviant zum Vorschein, und sie rösteten diese spärliche Kost über dem Feuer.
»Ich kann in der Kutsche schlafen, vermute ich«, sagte Tehre zweifelnd, als das letzte Glimmen der Sonne im Westen versank. Sie hatte lange nicht mehr selbst über solche praktischen Anforderungen des Lebens nachdenken müssen. Im Grunde überhaupt noch nie. »Aber ich weiß nicht ... Vielleicht hätten wir doch ein Haus suchen sollen, um dort zu übernachten ...«
»Wir brauchen kein Haus«, erklärte Fürst Bertaud unvermittelt und stand auf.
Das Feuer war zu schwacher Glut heruntergebrannt; nur noch wenige kleine Flammen züngelten in der Kohlenasche. Fürst Bertaud stand dicht am Feuer, eine konturarme schwarze Gestalt vor dem rötlichen Licht. Tehre konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber seine Stimme hatte grimmig geklungen.
Ein Mann tauchte plötzlich neben dem Feuer auf; er entstand quasi aus dem frischer werdenden Nachtwind und dem Feuerschein. Tehre konnte nur verwundert vor sich hinstarren. Das Gleiche tat Fürst Bertaud, aber seine Verblüffung wirkte anders: als wäre er zwar überrascht, aber nicht über das Gleiche wie Tehre oder der Fahrer. Ihr kam die Vermutung, dass der Fürst zwar vom unvermittelten Erscheinen des Mannes erschreckt worden war, aber nur über die Unmittelbarkeit, nicht über das Erscheinen selbst.
Der Neuankömmling trug schwarz, aber das Licht des Feuers hob einen purpurnen Schimmer an Hals und Handgelenken hervor – das Schimmern von feinem Tuch. Das Haar war schwarz wie die Nacht, schwärzer gar, denn das silbrige Mondlicht hätte normale Dunkelheit mildern können, schien jedoch diesen Mann kaum zu erreichen. Der Feuerschein zeigte ein schlankes, stolzes Gesicht,
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