DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
Vorstellung machte, Casmantium zu betreten und sich dem Arobarn auszuliefern.
Einen Moment später sagte er jedoch lässig: »Casmantium vor der Mittagszeit – wie ich gesagt hatte. Zweifellos wird das Land von unserer Ankunft erbeben. Wie lautete noch die Quote?«
Da es unhöflich gewesen wäre, auf seine Besorgnis einzugehen, lachte Maianthe und erwiderte: »Es ist noch weiter, als es den Anschein hat, glaube ich, und es dauert nicht mehr lange bis zum Mittag. Ich denke noch immer, dass ich die Wette gewinne: was nur gut ist, denn du weißt sehr gut, dass die Quote drei zu eins beträgt!«
Sie tätschelte ihrem Pferd den Hals und gab ihm die Fersen, ohne dabei besondere Eile an den Tag zu legen – wobei es weniger um die Wette ging als vielmehr darum, dass sie ein seltsames Widerstreben empfand, in Eira und somit in Casmantium einzutreffen und damit die Freiheit und den Frieden der Berge zurückzulassen.
Als sie den Bergpass zurückließen und durch das mächtige eiserne Tor ritten, das die Grenze von Casmantium markierte, war es genau Mittag. Die Sonne stand präzise im Zenit, und alle Schatten waren so klein und unauffällig, wie sie es nur sein konnten. Auf der Bergseite des Tores zogen sich die Pflastersteine der Bergstraße breit und glatt zum Pass hinauf. Vor ihnen, auf der anderen Seite des Tores, war die Straße schmaler und bestand einfach aus festgetretener Erde. Schlichte Holzbalken verhinderten, dass sie zu schlimm ausgewaschen wurde, wenn im Frühjahr das Schmelzwasser aus den Bergen kam. Eira, die westlichste Stadt Casmantiums, lag mit ihren imposanten eckigen Türmen, die direkt hinter der hohen Stadtmauer standen, weniger als eine halbe Meile entfernt an dieser schlichten Straße.
Tatsächlich erreichten sie das Eisentor wenige Minuten vor Mittag. Aber Tan packte Maianthes Zügel und hielt ihr Pferd zurück, bis man am Schatten des Tores erkennen konnte, dass es exakt Mittag war. Dann führte er Maianthes Pferd durch das Tor auf casmantischen Boden und hielt ihr feierlich drei Münzen hin. Es war natürlich absurd, aber sie gab ihm trotzdem eine zurück. Dann wechselten sie erneut Geld untereinander, bis beide wieder den Stand von früher erreicht hatten. Maianthe bemühte sich, nicht zu lachen, aber ein Lächeln konnte sie nicht unterdrücken. Es war schwierig, sich an die Angst zu erinnern, die sie in den Tagen zuvor beharrlich verfolgt hatte. Maianthe wusste nicht, was sie in Eira erwartete, aber sie war zumindest dahingehend zuversichtlich, dass es keine Linulariner Agenten sein würden.
Nachdem sie das Eisentor durchquert hatten, wandte sie sicherneut um und blickte sehnsüchtig den weiten Schwung der Straße hinter ihnen hinauf. Das schmerzhaft strahlende Blau des Himmels dehnte sich unendlich weit über den grauen und silbernen Bergen aus, die ins Violette übergingen, je weiter sie zum Himmel hinaufstiegen. Maianthe verfolgte das schmale Band der Straße, die sich dort hinaufschlängelte, bis sie schließlich über einem Bergsattel in großer Höhe verschwand. Maianthe seufzte und wollte sich gerade endgültig davon abwenden, um der Stadt Eira und der letzten langen Etappe ihres Weges ihre Aufmerksamkeit zu schenken – aber genau in diesem Augenblick wurde sie auf winzige schwarze Gestalten weit oben in den Bergen aufmerksam, die langsam von dieser letzten Anhöhe der Straße herabkamen. Diese Personen waren so weit entfernt und so winzig, dass sie Maianthe wahrscheinlich gar nicht aufgefallen wären, hätten sie nicht angehalten und von diesem höchsten Punkt der Straße herabgeblickt, wie Maianthe und Tan es auch getan hatten; und dabei zeichneten sich die Umrisse dieser Leute klar vor dem strahlenden Himmel ab.
Obwohl sie wusste, dass noch andere Reisende die Prachtstraße benutzen mussten, obwohl sie wusste, dass kein Grund vorlag, diese kaum sichtbaren Flecken für bedrohlich zu halten oder zu glauben, dass sie überhaupt etwas mit ihnen beiden zu tun hatten, stellte sie doch fest, dass ihre Freude an diesem Tag auf einmal erstickt worden war, und zwar so schnell, wie man eine Kerzenflamme ausdrückte. »Tan«, sagte sie.
Er drehte sich um, folgte ihrem Blick zur Straßenbiegung dort oben und erstarrte. Schließlich erklärte er mit bemühter Gelassenheit: »Die Straße steht jedermann offen.«
»Ja«, stimmte Maianthe ihm zu und hörte dabei, wie leise und angespannt ihre Stimme klang.
»Wir haben keinen Grund zu denken, dass sie etwas mit uns zu tun haben.«
»Nein,
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