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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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Feuer aufzublicken.
    Dieser Äußerung folgte eine unbehagliche Stille. Schließlich sagte Gerent Ensiken: »Also Tan. Tan hatte so etwas, denke ich, wie eine Verbundenheit zu diesem Buch. Ich frage mich, ob sonst einer von uns dieses Buch in den eigenen Händen wiedergefunden hätte, wäre er in jenem Raum gewesen? Ich denke nicht; ich halte es für unwahrscheinlich.«
    »Ich denke, es war Andreikan Warichteier, der die verschiedenen Bedeutungen von ›Verbundenheit‹ in der Zauberkunst und im Rahmen der diversen natürlichen Gaben diskutiert«, bemerkte Fürst Beguchren.
    »Warichteier hat das Thema besprochen«, pflichtete ihm Gerent bei. »Und ich glaube, Entechsan Terichsekiun hat eine Theorie der Verbundenheit und der Ähnlichkeit entwickelt, wenn auch nicht präzise in einem solchen Kontext. Ich kenne keinen Philosophen, der eine ausgeprägte Verbundenheit eines Rechtskundigen zu einem Produkt der Rechtskunde beschrieben hätte … Ich bin allerdings mit Linulariner Philosophen nicht so gut vertraut, wie ich es sein sollte.«
    Tan schüttelte den Kopf. Einen Augenblick später fragte er in einem natürlicheren Ton, als er sich selbst zugetraut hätte: »Wir wussten, dass da ein Buch war. Das ist keine bedeutsame Erkenntnis. Konntet Ihr überhaupt irgendetwas aus diesem Buch erblicken?« Er zögerte, glaubte sich fast zu erinnern – aber nein. Da war nichts. Er rieb sich die Stirn und schaute finster.
    »Ein Wort. Eine Zeile vielleicht.« Der casmantische Magier schaute ebenfalls finster. »Ich konnte sie jedoch nicht lesen.«
    Tan senkte die Hand und warf dem Magier einen kalten Blickzu. »Natürlich könnt Ihr Terheien weniger gut lesen, als Ihr es sprecht. Daran hätten wir auch früher denken können.«
    »Ah!«, sagte der Magier mit einer knappen Geste, mit der er um Verzeihung bat. »Nein, das sollte bei unserem Unterfangen nichts besagen – nicht solange Ihr verstanden habt, was Ihr last.«
    »Du bist kein Rechtskundiger«, murmelte Fürst Beguchren.
    Alle sahen ihn an.
    »Gerent ist kein Rechtskundiger«, wiederholte der kleine, elegante casmantische Herr. »Es geht hier um ein Werk der Rechtskunde, und es war vielleicht gar nicht für andere Augen bestimmt. Was umfasst die Gabe der Rechtskundigen?« Er blickte Tan gespannt an.
    »Gesetze«, antwortete Tan, da eindeutig von ihm eine Erwiderung erwartet wurde, obwohl doch alle das wussten. »Besonders geschriebene Gesetze. Vertragsrecht. Ihr habt doch auch Rechtskundige in Casmantium.«
    »Ja«, pflichtete ihm Fürst Beguchren bei. »Aber nicht wie in Linularinum. Ihr seht selbst sehr nach einem Linulariner aus, wisst Ihr? Seid Ihr vielleicht Farabiander aus Überzeugung und weniger von Geburt?«
    »Hat das etwas zu besagen?«, blaffte Tan.
    »Entlang des Flusses findet man viele gemischte Familien, wisst Ihr, Fürst Beguchren?«, warf Maianthe rasch ein. »Besonders im Delta.«
    »Richtig«, stimmte der casmantische Herr ihr zu. Seine Miene blieb undurchschaubar, aber eine unterschwellige Heftigkeit klang jetzt in seinem Ton mit. Sachte tippte er auf die Armlehne des Stuhls. »Ihr seid ein Rechtskundiger mit einer sehr starken Gabe«, sagte er zu Tan. Es war keine Frage. »Diese Gabe hat, wie Ihr sagt, mit geschriebenem Recht zu tun, mit Vertragsrecht. Es heißt, man sollte seine Finger nachzählen, nachdem man einen Linulariner Vertrag unterschrieben hat …«
    »Und die Finger der Kinder und Enkel. So heißt es.« Tan war nicht erfreut, diese alte mäkelige Wendung zitiert zu hören. »In Linularinum bewundert man streng abgefasste Verträge. In Farabiand und zweifellos auch in Casmantium haben die Unterzeichner häufig mehr Probleme damit, dass Verträge gebrochen werden können, als damit, wie man sie am vorteilhaftesten auslegt.«
    »Selbst der ehrgeizigste casmantische Kaufmann würde vermutlich sagen: Wie man sie am ehrenhaftesten einhält «, wandte Fürst Beguchren ein. »Aber schließlich ist Casmantium keine Nation von Rechtskundigen.« Vielleicht war es ein Glück, dass er eine Hand hob, um Tans erste, leidenschaftliche Reaktion zu unterbinden. Geduldig fuhr er fort: »Was ich sagen möchte – vielleicht weniger geschickt, als ich könnte: Ein Magier, besonders ein casmantischer Magier, versteht wahrscheinlich nicht die komplizierteren Elemente der Rechtskundegabe. Was dieses Buch enthielt, das war Recht – geschriebenes Recht, Vertragsrecht, das mit der stärksten möglichen Zauberkraft der Rechtskundigen ausgestaltet worden ist.

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