DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
gefällig reden zu können, schien ihn verlassen zu haben.
Der Magier akzeptierte jedoch die hilfreiche Hand, stemmte sich auf die Beine und betastete behutsam die Stelle an der Seite, wo Tan ihn getroffen hatte. Dabei warf er einen eindeutig erheiterten Blick auf den hohen Herrn Beguchren. Zu Tan sagte der Magier: »Wie befriedigend das gewesen sein muss! Alle Menschen, die man dermaßen provoziert, sollten sich auf diese Weise Luft machen können. Obwohl ich dankbar bin, dass Ihr kein Messer in Griffweite hattet.«
Tan wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
Gerent blickte erneut zum Herrn Beguchren hinüber, wandte sich dann wieder Tan zu und setzte in einem viel förmlicheren Tonfall hinzu, worin jedoch immer noch etwas von diesem unerwarteten Humor mitschwang: »Obwohl mein Handeln unverzeihlich war – darf ich Euch trotzdem bitten, mir zu verzeihen?«
Tan überwand sich, steif und widerstrebend zu nicken.
Der hochgewachsene Magier senkte in einer Geste förmlicher Dankbarkeit den Kopf. Dann seufzte er, humpelte zu den Stühlen zurück, setzte sich ächzend auf einen und starrte lange wortlos in das Kaminfeuer, während er vermutlich seine Gedanken ordnete. Oder auch die Bilder und Eindrücke, die er aus Tans Herz und Verstand gewonnen hatte.
Tan schloss für einen Moment die Augen, als er erneut den machtvollen Wunsch spürte, Gerent zu schlagen – wenn möglich, nachdem er ein Messer aufgetrieben hatte. Es war der Wunsch eines Narren. Eines hitzigen, unbeherrschten Narren. Er versuchte, ihn zu verbannen, den Zorn aufzugeben und eine durchdachtere Gelassenheit zu entwickeln. Letztlich vermochte er Herz und Nerven nicht zur Ruhe zu zwingen und begnügte sich mit einer Miene, die hoffentlich gefasst wirkte. Er überwand sich immerhin zu einem kurzen Lächeln für Maianthe, das, wie er hoffte, natürlich wirkte und sie beuhigte. Anschließend ging er mit gespielter Gelassenheit zu einem Stuhl, um sich wieder zu setzen. Maianthe folgte seinem Beispiel, wenngleich zögernd, und Fürst Beguchren stützte sich auf die Lehne des vierten Stuhls und musterte die anderen mit einer Miene höflicher Geduld.
Gerent Ensiken blickte schließlich auf. Er wandte sich zunächst an Tan. »Ich verspreche Euch«, erklärte der Magier formell, »dass ich niemandem gegenüber irgendetwas von dem erwähnen werden, was ich in Eurem Herzen gefunden habe,wie sehr auch immer mich jemand bedrängt. Bringt Ihr es über Euch, mir in dieser Hinsicht zu vertrauen?«
In der Regel vertaute Tan niemandem und in keiner Hinsicht. Hätte er jedoch eine Wette auf die grundsätzliche Ehrlichkeit des großen Magiers abschließen müssen, so wäre er ziemlich sicher gewesen, den Gewinn einzustreichen. Das half ein wenig. Er brachte ein zweites Nicken zuwege: zwar nicht mit einem Überschwang an gutem Willen, wohl aber ein bisschen weniger steif als zuvor. Dann schaute er ins Feuer, damit er niemanden sonst anblicken musste.
»Möglicherweise unter den gegebenen Umständen ein allzu breit angelegtes Versprechen«, bemerkte Fürst Beguchren. Sein Ton war gelassen, aber hinter der Gelassenheit lauerte eine fast unmerkliche Schärfe.
»Nein. Der kurze Eindruck, den ich von dem Buch erhielt, weist nicht … Ah, ihm ermangelt es …« Gerent hob frustriert eine Hand angesichts der Grenzen sprachlicher Möglichkeiten.
»Ihm ermangelt es des emotionellen Kontextes«, sagte Tan tonlos. Er sah weiterhin niemanden an, sondern hielt den Blick starr auf das Kaminfeuer gerichtet. Die Bergzedernscheite, die dort brannten, verbreiteten einen angenehmen Geruch im Zimmer. Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren.
»Ja, gut formuliert. Genau so ist es«, stimmte der Magier ihm zu.
»Ihr habt nur einen kurzen Eindruck erhalten?« Es war Maianthe, die diese Frage stellte. Sie klang enttäuscht und unverkennbar gereizt. »Ihr habt das … das … Was immer das war – Ihr habt es Tan angetan und nicht einmal etwas gefunden?«
»Selbst ein flüchtiger Eindruck kann eine tiefe Wahrheit offenbaren«, warf Fürst Beguchren leise ein.
»Ich sah ein Buch«, berichtete der große Magier langsam, in einem Ton jedoch, in dem ein Zweifel mitschwang, ob er überhaupt so viel gesehen hatte. »Ich sah ein Buch … oder ein Werk, das nach einem Buch aussah . Tan … Der hochverehrte Tan …«
»Da wir jetzt so gut miteinander bekannt sind, denke ich, dass wir nicht mehr übertrieben auf die Form achten müssen«, warf Tan barsch ein, ohne auch nur vom
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