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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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lachte laut.
    Aber Tan war noch nie weniger nach Lachen zumute gewesen.
    Jemand klopfte leise an die Tür, und ein Dienstbote – nein, ein Wachsoldat – trat ein. Der Mann senkte entschuldigend den Kopf, und wandte sich an Fürst Beguchren. »Ich bitte um Vergebung, hoher Herr, aber der Arobarn hat mich angewiesen, Euch darüber zu informieren, dass ein Linulariner Agent festgenommen wurde. Der König ersucht um Euer Erscheinen.« Der Blick des Mannes wanderte zu Maianthe. »Er fragt, ob auch seine hochverehrten Gäste kommen möchten.«
    Es verwunderte Maianthe nicht, als sie erfuhr, dass tatsächlich mehrere Linulariner Agenten ihr und Tan über den Pass gefolgt waren. Doch wenngleich sie nicht überrascht war, so verspürte sie doch Entsetzen. Die Männer waren ihnen so dicht auf den Fersen gewesen – sie wurde einfach nicht die Gedanken los: Was, wenn wir die Maultierwagen nicht hätten überholen können? Was, wenn wir beschlossen hätten, in dem Gasthaus zu übernachten? Was, wenn wir am Morgen nicht zeitig erwacht wären?
    Die Wachsoldaten des Arobarn glaubten, dass es insgesamt drei Agenten gewesen waren. Wie es schien, hatte man zwei getötet. Des dritten Mannes war man jedoch habhaft geworden. Sobald des Königs Ratgeber und Gäste eingetroffen waren, gab der Arobarn seinen Wachleuten einen Wink, und sie führten den Gefangenen herbei und warfen ihn zu Füßen des Königs auf den kalten Steinfußboden.
    Der Mann stemmte mit den gefesselten Händen den Oberkörper vom Boden hoch und blieb auf den Knien liegen. Nachdem er das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, richtete er sich auf und hob den Kopf. Man sah sehr deutlich, dass er ein Linulariner war: Nicht nur hatte er das aufgeweckte Gesicht, die schmalen Augen, kantigen Wangenknochen und die lange Nase, das glatte hellbraune Haar und die eleganten Hände mitRingen an den langen Fingern, sondern er strahlte auch, ungeachtet seiner derzeitigen Lage, eine unbestimmbare Aura der Überlegenheit aus.
    Er wehrte sich nicht gegen die Wachleute, sondern warf den Kopf in den Nacken, sah mit finsterer Miene auf, dann zu den Seiten und konzentrierte schließlich den Blick auf den König … Nein, nicht auf den König, sondern an diesem vorbei auf Tan. Dessen Miene blieb ausdruckslos, doch der König schaute finster.
    Der Agent blickte plötzlich auf den König und blaffte: »Ihr ahnt ja nicht, womit Ihr es hier zu tun habt! Ihr könnt es nicht ahnen, oder Ihr würdet ihn sofort verstoßen und an mich ausliefern!«
    Der Arobarn entgegnete mit einer Stimme, die so sanft war, wie er es nur irgendwie hinbekam: »Vielleicht. Vielleicht ist das richtig. Erzählt mir also, was es mit ihm auf sich hat, und womöglich liefere ich ihn an Euch aus, ja?«
    Tan zog eine Braue hoch und lächelte leise – ganz leise. Es war das denkbar beleidigendste Lächeln. Maianthe fragte sich, wie er das schaffte und ob sie den Kniff lernen konnte.
    Dem Gefangenen schwoll die Brust vor Entrüstung, aber er warf sich nicht nach vorn und stieß auch keine wilde Tirade aus. Er musterte erst Tan, dann den Arobarn und reckte schließlich den Hals, um auch Gerent Ensiken mit einem finsteren Blick zu bedenken. »Ihr solltet wissen, dass ich die Wahrheit spreche!«, sagte er zu dem hochgewachsenen Magier.
    Gerent Ensiken zuckte sanft die Achseln. »Ich weiß, dass die Ereignisse umfassend in Bewegung sind. Ich weiß, dass sich Zufall und Gelegenheit um diesen Mann beugen.« Er deutete mit dem Kopf auf Tan, ohne dabei jedoch den Blick von dem Gefangenen abzuwenden. »Ich weiß, dass Linularinum verantwortlich ist.«
    »Linularinum! Verantwortlich!«, rief der Mann, hielt inne und atmete schwer. Dann sammelte er sich und fuhr in gemäßigterem Ton fort: »Trägt der wirkliche Eigentümer eines Juwels oder der Dieb, der es gestohlen hat, die Verantwortung, wenn jemand nach dem Juwel gelüstet und er dafür mordet, sobald es erst einmal draußen in der Welt ist?«
    »Weder noch«, entgegnete Fürst Beguchren. Seine helle, kühle Stimme zog die Aufmerksamkeit aller auf sich; seine grauen Augen bannten mühelos den Blick des Gefangenen. Beguchren trat einen Schritt vor und damit aus dem Schatten des Arobarn heraus. »Der Mann, der mordet, trägt die Verantwortung, weder der Eigentümer des Juwels noch der Dieb. Oder würden bedeutende Gelehrte und Philosophen in Linularinum gegen diese Aussage Einwände erheben?« Er hielt einen Herzschlag lang inne und fuhr dann noch leiser fort: »Und wer ist

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