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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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jeweils dachte oder fühlte. Wahrscheinlich gehörte es zum Wesen eines Geheimagenten, dass man aufrichtig wirkte. Man schien alltäglich und normal, und die Leute erzählten einem allerlei. Das war allerdings nicht sehr nett. Vermutlich sollte Maianthe vorsichtig damit sein, ihm zu trauen. Sie hatte aber nicht das Gefühl, dass sie vorsichtig sein sollte. Sie empfand vielmehr Besorgnis. Es hieß, Tan hätte alle Informationen niedergeschrieben, die er mitgebracht hatte, und wäre dann erschöpft zusammengebrochen. Seit zwei Tagen schlief er jetzt oder war bewusstlos, was passieren konnte, wenn jemand übertriebenen Gebrauch von der eigenen Gabe gemacht hatte. Gleichwohl verspürte Maianthe das ausgeprägte Bedürfnis, nach ihm zu sehen, um sicherzugehen, dass es ihm gut ging. Das war jedoch töricht. Sie hatte heute schon mehrfach nach ihm gesehen, zuletzt noch am Nachmittag. Natürlich war alles völlig in Ordnung mit ihm.
    Trotzdem ertappte sie sich dabei, wie sie unruhig zu seinem Zimmer ging, obwohl sie im Grunde genommen keinen Anlass hatte, sich in diese Richtung zu begeben.
    »Maia!«, rief Erich, als sie an der Küche vorbeikam – natürlich war er wieder einmal dort. Rasch trat er durch die Küchentür, um Maianthe zu begleiten. Er reichte ihr ein belegtes Brötchen, das in Papier eingewickelt war, damit der Honig und die Butter nicht auf den Boden tropften. »Wohin gehst du?«
    Maianthe zögerte.
    »Nachsehen, ob der Spion wach geworden ist«, erklärte Erich fröhlich. »Ja, das dachte ich mir. Du solltest mich mitkommen lassen.«
    »Ich hätte eine meiner Zofen mitnehmen sollen«, murmelte Maianthe. »Ich wollte das auch, Erich, wirklich, aber Karin war gerade nicht zu finden.«
    »Und Emnis würde sich vielleicht nur Sorgen machen und jammern«, sagte Erich ruhig. »Sei’s drum, ich begleite dich. Warte kurz, ich hole einen Teller mit Honigbrötchen. Niemand wird sich erstaunt zeigen, wenn du dem Spion Brötchen bringst.« Seine Stimme klang tiefer und irgendwie draufgängerischer als noch im Jahr zuvor, als er schließlich doch noch in den Stimmbruch gekommen war. Sein leichter Akzent schien sich durch diese Veränderung etwas verstärkt zu haben.
    »Vermutlich schläft er noch …«
    »Sollte er aber wach sein, freut er sich zweifellos über die Brötchen«, erwiderte Erich achselzuckend. »Es macht mir nichts aus, mitzukommen und nachzusehen. Und falls er nach wie vor schläft, freue ich mich eben über die Brötchen. Iss du dieses hier, Maia. Du bist zu dünn.« Er drehte sich um, verschwand kurz in der Küche und kehrte fast augenblicklich mit einem großzügig gefüllten Teller voller Brötchen zurück.
    Tan schlief nach wie vor. Aber Hauptmann Geroen, der mit ausgestreckten Beinen in seinem Zimmer saß und dessen grobe Gesichtszüge sich verfinstert hatten, freute sich über die Honigbrötchen. Er griff sogleich zu und stellte Maianthes Recht, nach dem Spion zu sehen, nicht in Frage.
    »Ich hätte nie gedacht, dass sich ein Rechtskundiger mit der Schreibfeder genauso verausgaben könnte wie ein Soldat auf einem Gewaltmarsch«, sagte der Hauptmann. »Da bin ich froh, kein Rechtskundiger zu sein, sondern jemand, der vor allem redet. Mal abgesehen davon, dass ich Krähen lieber mag als nur ihre Federn.« Finster und mit angewiderter Miene blickte er zum Bett hinüber.
    »Denkt Ihr, dass mit ihm trotzdem alles in Ordnung ist?«, fragte Maianthe. Sie traute zwar dem Urteilsvermögen ihres Vetters, war sich aber nicht sicher, ob sie den Wachhauptmann leiden konnte. Er machte ihr ein wenig Angst. Erich schien nicht eingeschüchtert zu sein, doch das war auch nicht zu erwarten. Er lehnte am Türrahmen und verspeiste gerade selbst ein weiteres Brötchen.
    »Das denke ich, meine Dame. Ist einfach erschöpft.« Der Hauptmann warf einen weiteren angewiderten Blick zum Bett, aber diesmal glaubte Maianthe, so etwas wie Sorge in seiner grimmigen Miene schimmern zu sehen. »Und das, wie man fairerweise eingestehen muss, von mehr als nur der Mühe, die es kostet, eine Schreibfeder zu halten – nach allem, was er von seinen zurückliegenden Tagen erzählt hat. Nein, er wird wieder auf die Beine kommen.«
    In diesem Moment rührte sich Tan, bewegte eine Hand und brummte einen wortlosen Protest. Er öffnete die Augen, versuchte sich aufzusetzen und stöhnte.
    Hauptmann Geroen wischte sich mit dem Tuch, das den Teller abgedeckt hatte, den Honig von den Fingern und stakste zum Bett hinüber. Er griff Tan

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