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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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einige in Linularinum hatte.
    Maianthe vermutete, dass die Arbeit eines Spions furchterregend, gefährlich und schwierig war. Es musste schwer sein, Geheimnisse aufzudecken und sich damit davonzuschleichen … Maianthe hatte die vage Vorstellung, dass Spione durch dunkle Zimmer tappten und geheime Folianten in abgeschlossenen Schreibtischen fanden, und sie dachte, sie selbst würde vor Angst sterben, wenn sie versuchte, so herumzuschleichen. Aber noch schlimmer wäre es, jemandes Vertrauen zu erschleichen und dabei die ganze Zeit lang zu wissen, dass man dieses Vertrauen verraten würde. Das war sicher hart. Es sei denn, man mochte die Person nicht, die man verraten wollte. Aber dann war es sicherlich noch schlimmer, so zu tun, als sei man dessen Freund. Sie hatte sich gefragt, was für eine Art Mensch jemand sein würde, der solche Dinge tat. Tan jedoch war ganz und gar nicht das, was sie sich vorgestellt hatte.
    »Tan …«, sagte Maianthe neugierig, denn sie wollte ihn erneut reden hören, um festzustellen, ob sie seinem Tonfall irgendeine Hinterlist entnehmen konnte.
    »Hochverehrte Dame?«
    »Verratet Ihr nie jemandem den Rest Eures Namens?«, erkundigte sich Maianthe.
    »Nicht oft«, antwortete Tan sanft. Er wirkte nicht im Mindesten gekränkt oder verlegen, und sein ganzes Gebaren kündete nicht von Geheimniskrämerei oder Hinterlist – nicht mal, wenn er geradeheraus einräumte, dass er Geheimnisse hatte. »Ich habe Menschen verärgert, wisst Ihr?«, fuhr er fort. »Es gibt eine Menge Leute, bei denen ich es vorzöge, wenn sie den Namen meiner Mutter nicht erführen.«
    »Oh, natürlich.« Es war Maianthe peinlich, dass er es nötiggefunden hatte, das zu erklären. Zudem war sie aufs Neue verlegen, weil er ihr gesagt hatte, dass er den Namen seiner Mutter nicht verraten wollte. Sie vermutete, dass sein Vater unachtsam gewesen war. Nun wusste sie nicht, wie sie das Gespräch fortführen sollte.
    Erich rettete sie. »Seine Majestät sagte, er wüsste von keinem Geheimagenten, der jemals einen solchen Erfolg erzielt hätte. Und dass er trotz aller Schwierigkeiten, die es ihm bereiten würde, froh sei, eine Möglichkeit zu haben, den Fuchs von Linularinum in eine nachteilige Position zu bringen.«
    Tan blickte Erich nachdenklich an. »Ich bin sicher, dass es so ist, Prinz Erichstaben. Ja, ich vermute, er ist jetzt seinen beiden Nachbarn gegenüber entschieden im Vorteil.«
    Dies war ein Stich gegen den Vater von Erich, der jedoch nicht gekränkt zu sein schien. Er sagte nur in sanftem Tonfall: »Das macht mir nichts aus. In zwei Jahren kehre ich jedenfalls nach Casmantium zurück.«
    »Wirklich?«, fragte Tan mit nur einem Hauch von Zweifel in der Stimme.
    Maianthe traf Anstalten, etwas Scharfes zu entgegen, ohne jedoch zu wissen, was genau sie sagen sollte, aber Erich kam ihr zuvor und warf in nach wie vor sanftem Tonfall ein: »Vielleicht wart Ihr zu lange in Linularinum.«
    Tan dachte einen Augenblick nach, bevor er lachte. »Vielleicht.«
    Maianthe blickte ihn verwirrt an.
    »Ah, na ja«, sagte Tan zu ihr. »Man sollte denken, dass Farabiand eng mit Linularinum verbündet ist, nicht wahr? Wir blicken auf eine gemeinsame Geschichte zurück und haben eine gemeinsame Sprache, sodass man denken könnte, unsere Länder seien einander ähnlicher als Casmantium. Außerdem trifft man eine Menge gemischte Familien entlang des Flusses undhier unten im Delta an.« Er nickte Erich kurz zu und fuhr fort: »In mancher Hinsicht, denke ich, ist Casmantium viel eher Farabiands natürlicher Bundesgenosse. Wir ähneln uns in unserer Geradlinigkeit und Liebe zur Aufrichtigkeit, was keine Eigenschaften sind, die man in Linularinum bewundert.« Ein seltsamer, wehmütiger Unterton schwang in seinen Worten mit.
    »Aber Ihr habt Linularinum geliebt, nicht wahr?«, fragte Maianthe. »Und dann musstet Ihr es verlassen. Das tut mir leid.«
    Damit schien sie Tan überrascht zu haben. Eine ganze Weile lang starrte er sie nur wortlos an. Dann jedoch erwiderte er langsam: »Ich vermute, Ihr habt schon Euer Leben lang hier in der Grenznähe viel über Linulariner Hochmut gehört – darüber, wie die Menschen Linularinums auf die von Farabiand herabsehen und sie als ungebildete Bauerntölpel betrachten. Darüber, wie geheimniskrämerisch und verschlagen die Linulariner sind und dass sie niemals nur ein Wort gebrauchen, wenn sie auch mehrere Dutzend verwenden können. Und darin liegt etwas Wahres. Man liebt dort die Dichtkunst

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