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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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dafür war die Geschichte des Deltas zu kompliziert. Es handelte sich um eine Holzbrücke, was bedeutete, dass hin und wieder verrottete Balken ausgetauscht werden mussten, und es bedeutete ebenfalls, dass beide Seiten die Brücke demontieren konnten, wenn sich die Zeitläufte unvermittelt als unsicher erwiesen.
    »Herrin …«, hob Tenned erneut an.
    »Hochverehrte Maianthe«, sagte Tan im selben Moment.
    Maianthe hob eine Hand, damit beide schwiegen. Möglicherweise hallte noch Tans Bemerkung über Unentschlossenheit in ihren Gedanken nach, denn sie befahl dem Wachsoldaten: »Geht und sagt Hauptmann Geroen Bescheid, er solle alle Befehle erteilen, die ihm im Hinblick auf die Brücke angeraten erscheinen, und das Gleiche gilt für die Aufstellung von Spähern rings um Tiefenau. Die Mobilisierung der Männer – ist das nicht etwas, was wir manchmal üben? Ich erinnere mich doch richtig, dass mein Vetter einmal einen Appell angeordnet hat, um zu sehen, wie schnell die Wache reagieren konnte, nicht wahr?«
    »Vor vier Jahren, das stimmt, Herrin«, antwortete Tenned respektvoll. »Kurz nach meinem Eintritt in die Wache.«
    »Wir könnten es jetzt wieder tun. Oder nicht? Aber mitten in der Nacht? Sollten wir vielleicht auf den Morgen warten?«
    »Der Hauptmann …«
    »Ich begleite Euch und rede mit Hauptmann Geroen«, entschied Maianthe. »Aber ich denke … Wartet einen Augenblick.« Sie nahm das Buch mit den leeren Seiten zur Hand und huschte damit ins angrenzende Zimmer. Nur einen Augenblick späterwar sie atemlos zurück, hatte das Linulariner Buch jedoch nicht mehr dabei. »In Ordnung, gehen wir«, sagte sie zu Tenned und forderte Tan mit einem Wink auf, sie zu begleiten.
    »Kohorrian kann unmöglich planen, Truppen über die Brücke zu schicken!«, schrie der Hauptmann der königlichen Wachleute. Nun ja, er schrie nicht direkt, befand Tan, aber sein Tonfall kam dem sehr nahe. »Erde und Eisen, Mann, Ihr möchtet Ihre Majestät wütend machen, nur um Euren albernen Launen zu frönen? Seid Ihr ein Wachhauptmann oder ein kleines Mädchen, das sich vor beweglichen Schatten in der Nacht fürchtet?«
    Geroen stand einfach nur da, den Kopf gesenkt und die Augen halb geschlossen, weitgehend so, wie er es vielleicht in einem Sturm getan hätte. Ansonsten schien er von der Vehemenz des anderen unerschüttert. Neben Temnans gelackter Höflingshaltung wirkte Geroen eindeutig wie ein Mann von niedrigerem Stand, stur wie ein Maultier und sogar recht roh. Er sah jedoch auch ganz danach aus, als wäre er der Letzte, dem angespannte Nerven und alberne Launen einen Streich spielen könnten.
    »Ich weiß nicht recht, ob wir uns dessen völlig gewiss sein können, was der alte Fuchs vielleicht tut oder nicht tut«, warf Tan ruhig ein, wobei er einen Tonfall höflichen Respekts wahrte. »Und selbst wenn sich die Maßnahme letztlich als unnötig erweisen sollte, so bin ich doch davon überzeugt, dass die Stadtwache von ein wenig Übung profitieren wird.«
    »Wie lautet die Meinung Ihrer Majestät?«, fragte Maianthe.
    »Die Königin hat sich vor geraumer Zeit zur Nacht zurückgezogen«, antwortete Temnan steif.
    Tan deutete diese Aussage so, dass der Hauptmann sich der eigenen Meinung nicht sicher genug war, um das Risiko einzugehen, die Königin zu befragen, die womöglich zu einem anderen Entschluss gelangen würde. Nicht, dass Tan persönlich im Mindesten an der Meinung der Königin interessiert gewesen wäre. Er warf einen Seitenblick auf Maianthe und fragte sich, wie er den Vorschlag übermitteln konnte, dass es zumindest in dieser Nacht wohl am besten war, jede Warnung sehr ernst zu nehmen.
    Maianthe schien jedoch gar nicht darauf angewiesen, von irgendjemandem diesen Ratschlag zu hören. Sie hielt den Blick auf das Gesicht des königlichen Gardehauptmanns gerichtet, hob das Kinn und erklärte: »Nun, obgleich ich für die Meinung Ihrer Majestät dankbar wäre, so gilt im Delta doch zuvorderst die Meinung meines Vetters.«
    »Wir haben nach Seiner Majestät und Fürst Bertaud geschickt …«
    Maianthe fuhr fort, als hätte der Hauptmann gar nichts gesagt: »Und da mein Vetter nicht hier ist, werde ich entscheiden, was wir tun.«
    Tan stand dicht hinter der jungen Frau und bemerkte, dass ihr die Hände zitterten. Sie hatte sie leicht zu Fäusten geballt, um das zu überspielen. Nach Temnans starrer Miene zu urteilen, bemerkte dieser gar nicht, dass Maianthe nervös war – aber er wusste sehr wohl, dass sie recht damit

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