DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
Ganzen – dann das Mädchen nicht einmal hatte halten können.
Iaor Daveien Behanad Safiad war kein übermäßig großer Mann und auch nicht übermäßig breit gebaut; auch machte er sich nicht viel aus großen Auftritten, außer hin und wieder, um bei Hofe eine besondere Wirkung zu erzielen, was gewöhnlich am förmlicheren Sommerhof im weit nördlich gelegenen Tiearanan geschah. Oder so hatte es Jos zumindest vor langer Zeit gehört, als er noch alles von jedermann gehört hatte. Damals hatte er sich dafür in einen kleinen, sauberen Gasthof in Minasfurt gesetzt, einer Ortschaft an der Straße, die von Terabiand an der Küste der Länge nach durch Farabiand bis ins elegante Tiearanan führte. Diesen Standort hatte er zugewiesen bekommen,um die bedeutsamsten Nachrichten der schwatzhaften Dienstboten wichtiger Adliger und Kaufleute zu hören und ebenso den trivialsten Klatsch der Bauersfrauen und Höflingsdienstboten. Wenn auch Jos im Allgemeinen schweigsam war, neigten andere Menschen dazu, ihm ihr Herz auszuschütten. Das war eine angeborene Gabe, die ihm gute Dienste leistete … bis der Zeitpunkt kam, an dem er den Befehl erhielt, entschieden gegen Farabiand zu handeln, und er diesen Befehl verweigerte. Kes zuliebe.
Er erinnerte sich kaum noch an die Verfassung von Verstand und Herz, die ihn zu jenem Zeitpunkt bewegt hatte.
Aber er erinnerte sich an Iaor Safiad, der zwar kein außergewöhnlich großer Mann war und nicht zu großen Auftritten neigte, doch sehr wohl Blicke auf sich zog. Und Jos erinnerte sich auch an Fürst Bertaud, an den Dienstmann und Freund des Königs. Jos hatte sich einmal sehr bemüht, ihn in die Irre zu führen, was die Anzahl und Einstellung der Greifen anbetraf, die in Farabiand eingedrungen waren … Nichts davon hatte sich so entwickelt, wie es Jos oder sein Meister im casmantischen Spionagenetz erwartet hatten. Nein. Die Ereignisse schlugen damals eine andere Richtung ein. Aufgrund von Kes. Die nach wie vor Ereignisse in Gang setzte und dies nach wie vor auf eine Art und Weise tat, die niemand hätte vorhersehen können.
Jos vermutete stark, dass weder König Iaor noch Fürst Bertaud ihn und die Rolle vergessen hatten, die er damals spielte – die Rolle, die er zu spielen versucht hatte. So wenig, wie er sie vergessen hatte.
Und Kairaithin dachte, Jos könne mit diesen Männern wichtige Gespräche führen?
Jos stand nun vor seiner Hütte, die Arme unbehaglich vor der Brust verschränkt, und blickte den Reitern entgegen, die um den Berg herum ins Blickfeld kamen. Kairaithin hielt sich in seiner Nähe auf und hatte die mächtige katzenhafte Gestaltvor einer schimmernden Granitwand in eine bequeme und entspannte Haltung gebracht. Über ihm verwandelte sich unter seinem Einfluss die Eisschicht in Dampfschwaden. Jos war dankbar für seine ermunternde Anwesenheit, wusste aber zugleich, dass Kairaithins entspannte Haltung eine Illusion war – obwohl sie überzeugend wirkte und Jos nicht recht zu sagen wusste, warum ihm klar war, dass sie vorgespielt war. Auch verstand er die Anspannung des Greifen nicht. Könige und Fürsten, all die förmlichen Titel der Menschen – was bedeuteten sie schon einem Greifen? Zumal einem der mächtigsten aller Greifen: einem Magier, der zwar im Exil lebte, aber zweifellos seine früheren Schüler immer noch gründlich in den Schatten stellte.
Trotzdem wusste Jos, dass Kairaithin angespannt war. Das machte ihn seinerseits nervös. Früher war er sehr geübt darin gewesen, seine Gedanken und Gefühle vor anderen Menschen zu verbergen. Er hoffte, dass er diesen Kniff nicht vergessen hatte.
Iaor hatte außer Fürst Bertaud nur ein halbes Dutzend Mann dabei. Nun, das war vernünftig. Sie waren ja nur hier, um sich den Großen Wall anzusehen, vermutete Jos, und eine Armee in dieses zerklüftete Gebirge zu führen hätte sich als Albtraum erwiesen. Falls es überhaupt möglich gewesen wäre. Vielleicht konnte man dieses zerbrochene Felsgestein, wo der namenlose Fluss seinen Anfang nahm, als Pass bezeichnen, aber das war mehr eine Höflichkeitsfloskel und weniger eine präzise Darstellung der Gegebenheiten. Pferden konnte man weniger als ein Drittel dieses Weges zumuten, und um auch nur diese Bergwiese zu erreichen, brauchten selbst Maultiere ein Gutteil Glück, Hufe aus der Hand der besten Schaffenden für den richtigen Halt und zudem perfektes Wetter. Jos versuchte, sich die Logistik auszudenken, um eine echte Armee in diese Berge zu führen, und gab
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