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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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sofort auf. Es wäre definitiv ein Albtraum.
    Wahrscheinlich hoffte König Iaor, dass er und seine Leutenicht mehr zu tun brauchten, als sich den Wall anzusehen. Sie würden diesen Aussichtspunkt erklimmen, zum Wall hinabblicken und sich um die Risse sorgen, wo Dampf in die Luft stieg. Dann jedoch würden sie feststellen, dass die Risse letztlich doch nicht schlimmer wurden. Dass der Schaden, wovon auch immer verursacht, zum Stillstand gekommen war. Dass der Wall letztlich doch hundert oder tausend Jahre lang von Bestand sein würde und sich kein lebender Mensch mehr Sorgen wegen der Feindseligkeit zwischen Feuer und Erde machen musste, da beide in diesem Zeitalter nicht mehr miteinander in Konflikt geraten könnten. Das war es wahrscheinlich, was sie hofften. Jos war nicht im Mindesten überzeugt, dass diese Geschichte ein solch gutes Ende haben würde. Und er selbst hatte ganz gewiss nicht vor, sie in dieser Hinsicht zu beruhigen.
    Die Reiter wurden langsamer, als sie den höchsten Punkt des Pfades erreichten – wenn man diesen zerklüfteten Schnitt durchs Gestein denn als Pfad bezeichnen konnte. Sie überquerten den silbernen Faden des Baches, erreichten die kleine Wiese einer hinter dem anderen, ritten an die Hütte heran und zügelten ihre Maultiere. Die Maultiere waren zu müde und zu froh über die Wiese, um sich allzu sehr über Kairaithins Gegenwart aufzuregen, wohingegen die Ziege, die klüger oder einfach weniger müde war, ihr Verstreck unter dem Bett noch nicht wieder verlassen hatte.
    König Iaor hatte sich kaum verändert, so Jos’ spontane Einschätzung; aber für Fürst Bertaud galt das ganz und gar nicht.
    Der König wirkte vielleicht ein wenig ruhiger, eine Spur gesetzter – so beschrieb es Jos für sich selbst. Gesetzter in seiner befehlsgewohnten Haltung und seinem Selbstvertrauen. Obwohl noch keineswegs ein alter Mann, war Iaor Safiad inzwischen doch seit einigen Jahrzehnten König und hatte sich in dieser Zeit an seine Herrschaft gewöhnt. Er hatte unmittelbar vorden … Schwierigkeiten geheiratet, damals vor sechs Jahren. Jos wusste nichts über die jüngsten Ereignisse am Farabiander Hof oder an überhaupt irgendeinem Hof, aber wenn er den König jetzt so betrachtete, hätte er darauf gewettet, dass sich die Ehe des Safiads gut entwickelt hatte. Iaor verbreitete dieses Gefühl von Zufriedenheit mit sich und dem Leben, das im Augenblick jedoch von Müdigkeit und Unbehagen überlagert wurde.
    König Iaor war ein Mann, den man für gewöhnlich nur schwer durchschauen konnte. Dies galt allgemein für Könige, die genau wie Spione darauf angewiesen waren, ihre Gedanken und Gefühle zu verbergen. Aber als der König jetzt hinab auf den Wall und auf die davon aufsteigenden Dampfschwaden starrte, schien es Jos, dass er müde und ein wenig angewidert aussah, als empfände er ein mögliches Versagen des Walls als persönliche Provokation. Auch das war die Reaktion eines Mannes mit Familie ebenso wie die eines Königs, der sich um den Schutz des eigenen Volkes sorgte.
    Dann riss Iaor sich von dem imponierenden, beunruhigenden Anblick dort unten los und widmete Jos ein kurzes Nicken, um ein Wiedererkennen und seine Anerkennung auszudrücken.
    Jos erwiderte es, verneigte sich aber nicht, da er hier nicht seinen König vor sich hatte. Förmlich sagte er: »Eure Majestät«, was in Farabiand die korrekte Anrede war.
    »Jos«, erwiderte der König in unverbindlichem Ton. Sein Blick wanderte zu dem Greifen, der gemütlich in der Nähe hockte. »Anasakuse Sipiike Kairaithin. Was ist dort los?« Er deutete mit dem Kopf zum Wall.
    Kairaithin antwortete nicht, sondern überließ dies Jos – damit tatsächlich ein Mensch zu einem Menschen sprach.
    »Der Dampf zeigt, wo der Wall aufgeplatzt ist«, erwiderte nun Jos. »Die Risse sind vor einigen Tagen aufgetaucht.« Es war ihm peinlich einzuräumen, dass er nicht genau wusste, wie vieleTage es waren. In den jüngsten Jahren hatte er die Gewohnheit abgelegt, die verstreichenden Tage nach dem Kalender zu zählen, und er fand es schwer, sich diese Gewohnheit aufs Neue anzueignen. Stattdessen brachte er den Sachverhalt vielleicht etwas genauer auf den Punkt: »Die Feuermagier in der Wüste versuchen, den Wall an diesen Stellen zu spalten. Nicht Kairaithin jedoch. Zwei junge Greifenmagier. Und Kes.« Er blickte zu dem finsteren Kairaithin hinüber, dessen Schülerin das Mädchen gewesen war, und wandte sich erneut dem König zu, der das Mädchen ebenfalls kurz

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